Eine ehrbare Familie
um Sie und...»
«Und was?» «Am besten Sie gehen sofort zu ihm. Er ist im Arbeitszimmer des Generals.»
John saß im Stuhl seines Vaters hinter dem Schreibtisch; sein Gesicht war aschfahl. Er sah um Jahre gealtert aus. Er sprang auf und ging eilends auf sie zu, als sie in der Tür erschien. «Liebling! Gottlob ist dir nichts passiert! Tut dir wirklich nichts weh? Als ich hörte, daß du an Lady Nellies Hecke...»
«Ich brauche nur ein heißes Bad, das wird meinen Prellungen guttun. Ich bin ziemlich hart aufgeschlagen, aber das ist auch alles.»
Er nahm ihr das Versprechen ab, nie mehr ohne Natter oder Billy Crook auszureiten, aber sie sah an seinem Gesicht, daß er noch immer beunruhigt war.
«Was ist los, John?» Sie legte den Arm um seine Schulter. «Was ist geschehen?»
«Ich habe ein Telegramm von Dr. Savory aus Farnborough bekommen.»
«James?»
Er nickte, ging zum Schreibtisch und gab ihr das Telegrammformular.
Sie nahm es und las: «James leicht verletzt in Flugmaschinenunglück. Halte es fürs beste, ihn heute nach Hause zu bringen. Savory.»
6
Im Internat Wellington hielten seine Altersgenossen James Railton entweder für einen albernen Snob oder für einen Einzelgänger.
Zu jener Zeit war Wellington, wie die meisten Internate, alles andere als luxuriös: eiserne Disziplin, strenger Unterricht, ungenießbares Essen.
All dies schien James nichts auszumachen, und als ihm als älterer Zögling Verantwortung übertragen wurde, besserte sich auch sein Verhältnis zu seinen Mitschülern.
1909 bestand er nach seinem Schulabschluß die Eintrittsprüfung in die Militärakademie von Sandhurst. Zur Erleichterung seiner Familie. Denn die Prüfung war schwierig, und auch die Tatsache, daß er der Enkel eines Generals war, verschaffte ihm keine Vorteile.
An Weihnachten hatte er zu seinem Großvater gesagt: «Ich mußte Essays und Berichte schreiben. Wozu soll das gut sein? Ich will Soldat werden und kein Schreiberling.»
Sein Großvater hatte gelacht. «Du wirst bald einsehen, wofür es gut ist. Denk an die Zukunft. Ich habe immer versucht, Dinge vorauszusehen - ganz im Gegensatz zu unserem augenblicklichen Generalstab. Die Zeiten bleiben nicht stehen, James, große Veränderungen liegen in der Luft.»
«Wie zum Beispiel Flugzeuge?» hatte James listig gefragt.
«Ja, Flugzeuge, der Verbrennungsmotor, die Modernisierung der Flotte und der Armee. Denk an die Zukunft, mein Junge.»
«Genau das versuche ich zu tun.» Und dann war eine kurze Rede gefolgt, deren Folge das Telegramm aus Farnborough war.
James hatte seine wahre Leidenschaft entdeckt. Er wollte fliegen, unter allen Umständen fliegen wie die Gebrüder Wright oder Cody, der das erste Flugzeug in England flog.
Diese Leidenschaft veranlaßte James dazu, seinen bereits gut entwickelten militärischen Sinn auf diese neue Möglichkeit auszurichten. Er war sich durchaus bewußt, daß er hinterlistig nur die Erfüllung seines Ziels anstrebte, als er vor seinem Großvater das Fliegen erwähnte und sich mit Martin Savory anfreundete.
Savory lebte in Farnborough, wo viel geflogen wurde. Daher die vorgetäuschte Freundschaft. Aber darüber machte sich James keine Gewissensbisse, genausowenig wie über das Verschweigen der fünfhundert Pfund, die sein Großvater, ohne das Wissen seiner Eltern, bei der Coutts Bank auf seinen Namen deponiert hatte.
Zu den Osterferien lud Martin Savory seinen angeblichen Freund ins Haus seiner Eltern nach Farnborough ein. Die Tage waren klar und kalt mit gelegentlichen Abendnebeln. James gelang es ohne Mühe, mit Martin ein Arrangement zu treffen, das für beide von Vorteil war.
Jeden Abend durchstrolchten sie gemeinsam die Umgebung, und Martin erklärte James die Lokalität und machte ihn auf örtliche Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten aufmerksam, die sie angeblich am folgenden Tag besichtigen würden.
Am folgenden Morgen verließen die beiden jungen Männer zusammen das Haus. Dann trennten sie sich. Martin, um den Mädchen des in der Nähe liegenden Lyzeums nachzustellen, die sich gerne ein wenig knutschen ließen, und James, um zu einer weitausgedehnten, ebenen, von kleinen Wäldchen und Baracken umsäumten Grasfläche zu gehen, wo bei klarem Wetter Flugzeuge aufstiegen und landeten.
Seit Sarn Cody als erster von diesem Feld aufgestiegen war - es war noch immer das Trainingsgelände einer militärischen Ballonfabrik -, hatten sich in Farnborough viele Piloten, Erfinder und Mechaniker eingefunden. Schon nach
Weitere Kostenlose Bücher