Eine ehrbare Familie
Beziehung zwischen den beiden Frauen entstanden. «Alle Ihre Kräfte», wiederholte Martha Crook leise. «Jetzt, pressen Sie, ja, so, bald wird Ihr kleiner Sohn geboren werden. Und das wollen Sie doch, nicht wahr?»
Mildred nickte. Die Pein und die Qualen der letzten Stunden schienen wie fortgeblasen. Sie tat, was Martha Crook ihr sagte, lautlos und ohne Fragen zu stellen. Der Rest war einfach und leicht. Der Junge kam ohne weitere Komplikationen zur Welt. Er schnüffelte zweimal, als wollte er den Ort beschnuppern, in den man ihn so plötzlich versetzt hatte, dann stieß er einen kräftigen Schrei aus.
Der Arzt hörte den Schrei, als er die Treppe hinaufkam. Seine Aufgabe war jetzt relativ leicht. Er mußte sich nur noch darum kümmern, daß Mrs. Railton gut versorgt würde, und seine Anweisungen geben, um eine Sepsis zu verhüten, die er jedoch für unwahrscheinlich hielt. Er hatte Martha Crook schon öfters bei der Arbeit gesehen.
Sara ging nach unten, um dem erleichterten Charles zu sagen, daß er einen kräftigen Sohn bekommen habe, er solle jedoch Mildred erst mal schlafen lassen, da es eine schwere Geburt gewesen sei. Als sie ins Krankenzimmer zurückkam, war Martha Crook schon fort. Sie war leise über die Hintertreppe verschwunden und ging mit leichtem Schritt über die Felder zum Glebe Cottage zurück.
Mildred schlief viele Stunden. Charles sah seinen neugeborenen Sohn und dessen Mutter nach dem Abendessen. Beide wirkten ausgeruht und munter. Und nur diejenigen, die bei der Geburt des kleinen William Arthur, genannt nach dem General, mit dabeigewesen waren, wußten, daß ein Wunder vollbracht worden war.
Beim Abendessen am gleichen Tag bemerkte Giles, daß James ungewöhnlich schweigsam war. Er erwähnte es Sara gegenüber.
Sie lächelte. «Du wirst es nicht glauben, aber James ist verliebt. Zum Glück alles sehr passend. Seine Auserwählte wohnt auf der anderen Seite von Haversage und stammt aus einer alten Offiziersfamilie. Sie wird MMM gerufen wegen ihrer Initialen: Margaret Mary Mitchel. Ein nettes Mädchen. James schwebt in den Wolken, seit er sie kennengelernt hat. Nur gut, daß er nächsten Monat auf die Militärakademie kommt. Entweder wartet sie auf ihn, oder es wird nichts draus.»
Giles Railton nickte. Sein Großneffe James und seine Tochter Mary verkörperten für ihn die Zukunft der Familie. Beide waren durchaus fähig, auf sich selbst aufzupassen, trotzdem fühlte er sich als ihr Schutzengel.
Was ihn aber wirklich beunruhigte, war Johns eingefallenes Gesicht, besonders weil er wußte, wie schlecht es um die Gesundheit seines Neffen bestellt war. Aber auch die Blicke, die Sara und der junge amerikanische Pilot ständig austauschten, gaben ihm zu denken. Giles kannte das Leben, und Geheimnisse blieben nicht lange vor ihm verborgen. Auch hatte er Johns Worte über die Beziehung zwischen James, Sara und dem Amerikaner nicht vergessen. «Er ist wie ein Bruder zu den beiden.» Giles war die Bitterkeit im Tonfall nicht entgangen.
10
James hatte sich mit seinem Vetter Caspar immer gut vertragen, und so hatten sie sich von ihren Vorgesetzten die Erlaubnis eingeholt, in der Königlichen Militärakademie Sandhurst, ein Zimmer und einen Bedienten teilen zu dürfen.
James ging gerne nach Sandhurst; das einzige, was er bedauerte, war die Trennung von Margaret Mary Mitchel. Er hatte sie auf dem Ball von Lady Dartmouth während der Londoner Saison kennengelernt.
An sich hätte es James vorgezogen, auf dem Land zu bleiben, denn Dick brachte an manchen Wochenenden eine Farman rüber, aber von jungen Männern wie James und Caspar wurde erwartet, daß sie die jungen Mädchen aus ihren Kreisen während der Saison auf Bälle und Gesellschaften begleiteten.
James hatte sich nie viel aus dem weiblichen Geschlecht gemacht, aber auf Lady Dartmouths Ball lernte er gleich am Anfang des Festes Margaret Mary kennen. Und ohne recht zu wissen, was er tat, hatte er jeden Tanz für sich reserviert - was höchst unüblich war.
Sie hatte ihn vom ersten Moment an bezaubert. Sie hatte eine Mähne roten Haars, eine schlanke, knabenhafte Figur, ein lausbubenhaftes, zu ihrem großen Leidwesen mit Sommersprossen übersätes Gesicht und einen großen Sinn für Humor. Sie war ganz anders als die albernen Gänse, die er bisher getroffen hatte. Nicht schön im klassischen Sinn, aber sehr begehrenswert.
Aber es waren nicht nur ihre körperlichen Vorzüge, die James so anziehend fand, sondern vor allem, daß sie außer über
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