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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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verloren und sah erschreckend hohlwangig aus. Sein Haar war noch grauer geworden, und seine Gesichtsfarbe änderte sich ständig, mal war sie aschfahl, mal fiebrig gerötet.
    Sie trafen sich nach dem Abendessen im Arbeitszimmer des Generals. John sank in den Stuhl hinter dem Schreibtisch seines verstorbenen Vaters, offensichtlich ermattet und lustlos.
    «Sara macht sich Sorgen», sagte er als Antwort auf Giles’ Frage nach seiner Gesundheit. «Aber ich wage ihr nicht die Wahrheit zu sagen.»
    «Und was ist die Wahrheit?»
    John lachte kurz und bitter auf. «Daß ich eine Ausnahme in der Familie bilde, der einzige Railton, der nicht uralt wird.»
    «John, mein Lieber...»
    John hob abwehrend die Hand. «Es ist nun mal so, wir können nichts dran ändern. Mein Hausarzt hat gesagt, ich hätte ein Herz, der Spezialist drückte sich präziser aus.»
    «Aber kannst du dich nicht ausruhen, Urlaub nehmen ...»
    «Um ein Jahr, vielleicht zwei Jahre länger zu leben? Das ist nicht meine Art, so verhält sich kein Railton. Der General hätte seit seinem sechzehnten Jahr jederzeit in einer Schlacht fallen können. Ich werde Anfang Fünfzig sterben. Vielleicht mach ich’s noch ein Jahr, mit Glück sogar zwei...»
    Giles nickte. Er hätte sich genauso verhalten.
    Und so saßen an diesem Sonntagnachmittag die vier Männer auf der Gartenterrasse des Herrenhauses. Die Frauen hatten sich zurückgezogen, während die anderen männlichen Gäste, einschließlich James Railton und Dick Farthing, das neue Flugzeug ansahen, mit dem Dick gekommen war. Mildred ruhte.
    Der Himmel war tief blau, die Sonne prallte auf die Steine der Terrasse, wo die vier Männer saßen und den Schmetterlingen zusahen, die über den Blumenbeeten taumelten. Giles eröffnete die Unterhaltung, indem er sagte: «Dies ist eine ideale Gelegenheit, einen Überblick über die momentane Situation zu geben und John ins Bild zu setzen.» Verdächtige ausländische Besucher der Trauerfeierlichkeiten, die auffallend oft den Friseurladen in der Caledonian Road besuchten, hatten ihnen endlich Gelegenheit gegeben zu handeln. Sie hatten mit Erlaubnis des Innenministers die Post des Friseursalons kontrolliert. Das erste abgefangene Päckchen enthielt ein Dutzend Haarschneidemaschinen mit ausführlichen deutschen Gebrauchsanweisungen. Bei näherer Prüfung ergab sich, daß in den Text mehrere Anweisungen eingeschleust worden waren, außerdem adressierte und frankierte Postkarten und Briefe zur Weiterbeförderung. Die Briefe enthielten genaue Angaben über Objekte, die erkundet und überwacht werden sollten.
    Ähnliche Päckchen und dicke Briefumschläge trafen jeweils im Abstand von zwei Wochen ein. Die meisten waren von einem Fräulein Reimers in Potsdam abgesandt. Sie alle enthielten Postkarten und Briefe zur Weiterbeförderung. Des weiteren gab es Botschaften für Gustav Steinhauer, Papierfabrikant von eigenen Gnaden, der während des Besuchs von Hauptmann Nicolai in London die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
    Die Empfänger der Anweisungen wohnten an Orten, die voneinander so weit entfernt waren wie Edinburgh und Exeter. Die MO 5 hatte mit der Hilfe der Geheimpolizei den ganzen Spionagering unter Bewachung gestellt.
    Dreißig Agenten erhielten ihre Anweisungen über dieses »Postamt». Die meisten ihrer Befehle konzentrierten sich auf das Aus-kundschaften von Hafenanlagen und Befestigungen. Die Bezahlung sei schäbig, sagte Giles zu John. «Der Friseur erhält ein Pfund pro Woche für seine Dienste.»
    «Und er hegt keinerlei Verdacht?» fragte John.
    Kell schüttelte verneinend den Kopf. «Wir können ihn im Moment nur überwachen und abwarten. Sollte es zu einer Krise kommen, können wir die ganze Bande innerhalb von Stunden festnehmen. Doch eins steht fest, wir haben das gesamte deutsche Spionagenetz im Vereinten Königreich unter unserer Kontrolle.»
    «Nun, das ist gewiß - » begann John, als ein gellender Schrei vom Haus her seinen Satz unterbrach.
    Charles sprang auf, er hatte die Stimme seiner Tochter Mary Anne wiedererkannt. «O mein Gott, Mildred!»
    Als er ins Haus stürmte, nahm Charles zwei rennende Gestalten wahr. Vera, das Dienstmädchen, lief wie ein Windhund über die Felder, ihr Häubchen flog ihr vom Kopf, ihr schwarzes Kleid und die gestärkte Schürze bauschten sich hoch auf. Bill Crook folgte ihr und hatte sie fast schon eingeholt.
    Sara stand leichenblaß in der Halle, den Telefonhörer in der Hand. Sie hinderte Charles mit einer

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