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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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schläft?»
    Dennistons üblicher trockener Humor versiegte, als Mitleid ihn überwältigte. «Wenn Gott schläft, Andrew, wacht Er auch wieder auf. Aber bis das geschieht, müssen wir uns selbst helfen - so gut es geht.»
    Andrew nickte. Eine ähnliche Verzweiflung und Niedergeschlagenheit wie die seine würde sich in den nächsten Jahren in vielen Häusern breitmachen. Die alte, etwas arrogante britische Lebensweise war für immer vorbei. Und bevor sich neue Werte etablieren konnten, mußte die Welt noch durch viel Grauen und Verrat gehen.

15
    James Railton saß im Salon im ersten Stock des Hotels Kaiserhof und blickte über die Vororte von Friedrichshafen. Der Kaffee war ausgezeichnet, fast so gut wie der in der Schweiz, wo er zwei Tage zuvor gewesen war.
    In diesem Teil Deutschlands zumindest herrschte Optimismus. Er würde C berichten, daß fast alle Deutschen, mit denen er zusammengetroffen war, von einem schnellen Sieg gesprochen hatten. Natürlich gab es Ausnahmen. Er dachte dabei an das zufällige Gespräch am vorangegangenen Abend.
    Er hatte nach dem Essen in der Hotelhalle einen Kognak getrunken. Ein Herr setzte sich neben ihn, der blaß und deprimiert aussah, obwohl er offensichtlich dem Offizierskorps angehörte.
    «Waren Sie schon früher hier?» fragte der Herr.
    «Zweimal aus Geschäftsgründen.» James war zurückhaltend und ein wenig gehemmt wegen seines nachgeahmten Schweizerdeutschs.
    «Ach, Sie sind kein Deutscher.» Das klang vorurteilslos.
    «Schweizer.»
    «So, so, Ihr Schweizer habt das bessere Los gezogen.»
    «Wieso?»
    «Nun mal ehrlich, was halten Sie von diesem Krieg?»
    James hatte sich herausgewunden: «Der Ehre muß immer Genüge getan werden.»
    «Ist das tatsächlich Ihre Meinung?» Der Herr hatte sich vorgebeugt. «Vielleicht bin ich ein Narr oder ein Landesverräter, aber dieser Krieg hätte nie passieren dürfen. Ich habe gute Freunde und Verwandte in England.»
    «Ah, so?»
    Der Deutsche hatte gelächelt. «Sie sagen, Sie sind Schweizer?»
    «Aus Zürich.»
    Der andere schüttelte den Kopf. «Das nehme ich Ihnen nicht ab.
    Fragen Sie mich nicht, warum. Aber - wer weiß - eines Tages könnte ich Ihnen behilflich sein. Rufen Sie mich an, wann immer Sie mich brauchen.»
    James hatte die Visitenkarte des Herrn in seiner Brieftasche: Major Joseph Sterkel. Die Adresse lautete: Berlin, Elisabethstraße. James war in seiner Unterhaltung mit dem Major äußerst vorsichtig gewesen, dennoch hatte er den Eindruck gewonnen, daß sein Gesprächspartner begierig darauf war, mit jemand, der Verbindung zu England hatte, zu sprechen.
    James erwartete eine neue Wendung im Kriegsgeschehen. Aber er hätte lieber gehandelt als nur beobachtet.
    Er hoffte, es würde an diesem Morgen alles wie geplant verlaufen. Es war sein zweiter Besuch innerhalb von zehn Tagen in Friedrichshafen. Keiner schien seiner Person zu mißtrauen, aber James wollte alles Aufsehen vermeiden.
    Im Kaiserhof kannte man ihn als Herrn Graber, der etwas mit Finanzen und Konstruktionen zu tun hatte. Man nahm allgemein an, daß sein Interesse den Zeppelinwerken galt, die nur einen Kilometer entfernt vom Hotel lagen. Im hellen Morgenlicht erschien das Gelände greifbar nahe, James vermeinte, daß er nur den Arm auszustrecken brauchte, um die Hallen zu berühren. Vermutlich lag Regen in der Luft, denn dann traten sehr oft solche optischen Täuschungen der Verkürzung auf.
    James starrte ungeduldig auf die Hallen und Wasserstoffanlagen und hoffte, die Flugzeuge würden innerhalb der nächsten Stunde kommen.
    Aber selbst wenn dies nicht geschah, müßte er später am Tag abreisen. Es wäre unklug, länger als vierundzwanzig Stunden in Deutschland zu bleiben. Im Hotel stellte man keine Fragen, aber wenn ein Polizeibeamter seine Papiere zu sehen forderte, säße er in der Patsche. Denn James war nicht mit offizieller Erlaubnis nach Deutschland eingereist.
    Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Bodensees, in der neutralen Schweiz, war er im Bahnhofshotel Kreuzlingen als Herr Franke bekannt. Ein Geschäftsmann aus Berlin, der ein präzises Hochdeutsch mit preußischem Tonfall sprach. Hier in Friedrichshafen konnten sie sein Schweizerdeutsch kaum verstehen. C hatte ihm nur zwei Wochen gegeben, um diesen eigenständigen Dialekt zu lernen.
    Er blickte wieder aus dem Fenster, und seine Augen suchten den Himmel ab, während er in Gedanken alle Stationen seiner Fahrt zurückverfolgte, die ihn an diesen Ort gebracht hatte. Er war durch das

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