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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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Caspars Zukunft völlig verzweifelt war. Sie glaubte weiterhin, Rupert sei genauso außer Gefahr wie sein Zwilling Roy, der unter seinem Großvater im Foreign Office arbeitete.
    Am Mittwoch, dem 5. November, geschah es dann.
    Andrew ging wie jeden Tag um die Mittagszeit von seinem Büro im alten Gebäudeteil zur Admiralität hinüber. Auf dem Gang begegnete er Churchill und Admiral Fisher, beide Männer mit sehr ernsten Gesichtern. Fisher sah sogar aschfahl aus.
    «Ich kann nicht verstehen, warum Cradock befehlswidrig gehandelt hat», hörte er Churchill sagen. «Er hätte unter keinen Umständen eine so starke feindliche Übermacht angreifen dürfen.»
    «Es sei denn, er wurde überrascht», erwiderte Fisher, blickte hoch und sah Andrew. «Sind Sie nicht der junge Railton?»
    «Ja, Sir.»
    «Winston, das ist... was ist Ihr Rang jetzt? Kommandeur?» Andrew nickte. «Kommandeur Railton. War mein Artillerieoffi- zier auf der Renown.» Plötzlich hielt er inne, als sei ihm nicht wohl. «O mein Gott! Hatten Sie nicht einen Sohn auf der Monmouth?»
    «Ja, Sir, ja. Warum ... ist etwa...?» Andrew fühlte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte.
    «Die Monmouth ist versenkt worden und ebenfalls die Good Hope», sagte Churchill. «Aber es gibt Überlebende. Wir können nur hoffen, Railton.»
    Dann ging er weiter mit gesenkten Schultern, als erdrücke ihn seine Verantwortung.
    Andrew stand wie angewurzelt im Korridor, seine Augen brannten, er fragte sich, ob und wie Ruperts Ende gekommen war.
    Ein ganzer Monat verging, bevor Andrew und die inzwischen völlig verzweifelte Charlotte erfuhren, daß Rupert überlebt hatte. Doch mehr als ein Jahr verging, bevor sie sich die ganze Geschichte von den Überlebenden stückchenweise zusammensetzen konnten.
    Rupert war ganz am Anfang der Schlacht nach einem Volltreffer der einzig Überlebende auf dem Achterdeck gewesen. Er hatte geholfen, die überall auf dem Schiff rasenden Feuersbrünste zu bekämpfen, war dann über Bord geweht und, nach zwei Stunden im Wasser, wie durch ein Wunder von der Glasgow aufgefunden worden.
    Rupert kam kurz vor Weihnachten nach London zurück, doch er war in einem noch viel schlimmeren Zustand als sein Bruder Caspar, der jetzt verbissen entschlossen versuchte, auf seinem Holzbein gehen zu lernen. Rupert war wie die leere Hülle des jungen Mannes, der so begeistert und fröhlich in den Krieg gezogen war. Es war nur zu offensichtlich, daß er niemals mehr ein normales Leben führen würde. Er wirkte hohlwangig und wie von Gespenstern gehetzt, die Augen starrten ins Leere, und sein Gesicht drückte ständiges Erstaunen aus. Der einst so muntere, hübsche junge Mann atmete, bewegte sich, lief, aber kein Leben ging von ihm aus.
    Anfangs sprach er mit niemand und scheute die Nähe des Wassers, sogar die Badewanne. Und dann, als eine Art von Leben in seinen Körper zurückkehrte, kam das Schlimmste zutage. Nach dem Grauen und dem Schock der Schlacht hatte sich Ruperts Bewußtsein in die Kindheit geflüchtet. Er wurde wieder zu einem sechsjährigen kleinen Jungen.
    Ein Marinearzt sagte bedauernd zu Charlotte und Andrew: «Leider ist unser Wissen über diese Art von Problemen noch sehr beschränkt. Doch gewisse Dinge sind offensichtlich. Sein Geist hat sich in die relative Sicherheit der Kindheit geflüchtet. Niemand außer Gott kann wissen, ob er je wieder normal werden wird.»
    Und so waren innerhalb von zwei Jahren zwei hoffnungsvolle junge Mitglieder der Familie Railton vom Schicksal geschlagen worden: der eine körperlich, der andere geistig. Charlotte und Andrew mußten das alte Familienfaktotum - die Kinderschwester Miss Briggs - aus ihrem Ruhestand holen: Sie sollte sich um Rupert kümmern.
    Es war herzzerreißend, den kräftigen jungen Mann mit längst vergessenem Spielzeug spielen zu sehen und seiner Babysprache zuzuhören. Er fürchtete sich vor den kleinsten Dingen, weinte oder bekam Wutanfälle, und auf Spaziergängen klammerte er sich an Miss Briggs’ Hand.
    Charlotte sah vergrämt aus und hatte das Lachen verlernt, während Andrew sich völlig in sich zurückzog und nächtelang über die Unsinnigkeit der Welt nachdachte.
    Eines Morgens saß Andrew in gedrückter, finsterer Stimmung in seinem Büro, als sein Kollege Alastair Denniston hereinkam, beschwingt und lächelnd, denn die lange Nachtarbeit war sehr erfolgreich gewesen.
    Andrew blickte ihn aus trüben Augen an und sagte aus seinen Gedanken heraus: «Meinen Sie, Alastair, daß Gott

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