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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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besagte, Herr Franke möge Herrn Gimmell beim Crédit Suisse in Bern anrufen.
    Herr Gimmell war C. Die Instruktion, ihn in der Bank anzurufen, bedeutete, daß James sich so schnell wie möglich persönlich in London melden solle.
    Selbst wenn sein Aufenthalt in London nur kurz sein würde, so könnte er doch zumindest Margaret Wiedersehen.
    Da James so oft unterwegs war, hatte Margaret ein kleines Haus in Kensington Gardens gemietet, und in dieses hübsche und gemütliche Heim kehrte James drei Tage nach Empfang des Telegramms zurück.
    Es war spät am Nachmittag, Nebel und Frost hingen in der Luft. Margaret saß im Wohnzimmer und wartete, daß die Kinderschwester mit Donald herunterkam, um gute Nacht zu sagen. Die Vorhänge waren noch nicht zugezogen, und Margaret stieß einen fast kindlichen Freudenschrei aus, als sie James’ Silhouette erkannte, der mit einem schweren Koffer aus einem Taxi stieg.
    Er war nicht so müde wie üblich, dennoch wehrte er ihre unzähligen Fragen ab und ging zuerst nach oben, um ein Bad zu nehmen. Es war fast halb neun, als sie sich zu Tisch setzten. James erklärte Margaret, daß er sich eigentlich sofort nach Ankunft bei seinen Vorgesetzten hätte melden sollen. «Also, kein Wort, Mrs. Railton. Wenn jemand fragt, bin ich hier erst lange nach Mitternacht eingetroffen.»
    «Du weißt ja, ich bin so vage mit Zeit, Liebling, ich kann Mittag nicht von Mitternacht unterscheiden», kokettierte sie lachend.
    Er liebte sie in dieser Stimmung und sagte: «Du solltest für den Geheimdienst arbeiten und allen deutschen Generalen den Kopf verdrehen, dann wäre der Krieg schnell vorbei.»
    «Kann ich nicht erst mal dir den Kopf verdrehen? Der Arzt hat gesagt, es sei bestimmt nicht gesundheitsschädlich...»
    «Der Arzt?»
    «O verdammt, jetzt habe ich mich verplappert, und ich wollte es doch als große Überraschung für dich aufheben.»
    «Was denn, um Himmels willen, Margaret?»
    Sie sah ihn aus großen, unschuldigen Augen an. «Wir haben’s mal wieder geschafft. Du wirst zum zweiten Mal Vater.»
    Er strahlte über das ganze Gesicht. «Und dir geht es gut?»
    «Prächtig. Du warst so oft und so lange fort, daß ich schon über zwei Monate schwanger bin. Dr. Madingly sagt, alles sei in Ordnung. Während der nächsten Monate kann ich ein ganz normales Leben führen. Der Doktor ist wirklich eine Nummer. Er hat extra betont, daß ein normales Leben auch jede Menge Spaß im Bett einschließt.»
    James stieß einen vorgetäuschten tiefen Seufzer aus. «Du bist ein seltsames Geschöpf, Margaret. Du siehst aus, als könntest du kein Wässerchen trüben, und dann bist du ganz scharf auf... nun, du weißt schon was.»
    «Sei doch kein Spießer, Liebling. Natürlich bin ich das. Nicht nur Männer haben Gelüste.»
    Er stand auf, ging zu ihr hinüber, beugte sich über sie und streichelte ihr die Schultern und Brüste. Sie schob seine Hand sanft weg und sagte: «Erst die Nachspeise, dann das Schlafzimmer.»
    Sie lagen in der Dunkelheit des Zimmers, und sie fragte ihn, wie lang er bleiben könne. Wie immer sagte er ihr die Wahrheit. Er müsse am nächsten Morgen seine Vorgesetzten sehen, und er wisse nicht, was dabei herauskäme.
    «Wie war’s diesmal?»
    «Nichts Aufregendes, keine Probleme.»
    Fünf Minuten lang schwiegen sie, dann fragte sie sehr leise: «James? Letzten Sonnabend?»
    «Hmm?» Er klang schläfrig, obwohl er hellwach war. Der letzte Sonnabend war der 21. November gewesen.
    «Warst du in Gefahr? Ich will keine Einzelheiten wissen, aber es ist wichtig. Letzten Sonnabend am Vormittag, warst du in Gefahr?»
    «Ja, man könnte sagen, daß ich in Gefahr war. Aber warum fragst du?»
    «Es klingt blöd. Aber ich war im Wohnzimmer. Ich fing zu spielen an - ganz ohne Grund. Chopin. Ich habe nicht gut gespielt, es war ein schwieriges Stück, die Sonate in b-Moll...»
    «Die mit dem Trauermarsch?»
    «Musiker würden es nicht ganz so ausdrücken, Liebling, aber du lernst. Ja, die mit dem Trauermarsch. Und das war das Merkwürdige. Ich habe das Stück fast nicht zu Ende spielen können. Ich fing an und fühlte, daß du mir ganz nah bist. Und da war dieses erschreckende Gefühl, daß irgend etwas passiert ist. Es war so lebendig wie ein Alptraum, dann verschwand die Angst, und ich wußte, du warst in Sicherheit. Es war alles so wirklichkeitsnah, James, du warst hier, in diesem Haus. Du standst neben dem Klavier, ich spürte deine Gegenwart, konnte dich fast sprechen hören, als ich spielte.»
    James

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