Eine ehrbare Familie
Bomben ab, doch nur drei lösten sich, die vierte war offensichtlich in dem Ausklinkmechanismus unter dem Flügel steckengeblieben. Mit einem großen Knall und einer hellroten Flamme explodierte einer der Wasserstofftanks links von den Hallen. Gleichzeitig platzte ein Geschoß der Flugabwehrkanone in der Nähe des Flugzeugs, das vom Luftdruck hochgeschleudert wurde. Sein Motorengeräusch änderte sich, und die Flugzeugnase wies nach unten.
Nun näherte sich das dritte Flugzeug in ungefähr zweihundert Meter Höhe, die Bomben fielen wie ein Haufen Steine, von einem kleinen Jungen wahllos hinuntergeworfen. Sie explodierten mit einem dumpfen Aufprall, so daß die Hotelfenster klirrten. Eine von ihnen traf einen Teil der Zeppelinhalle und riß sie entzwei wie ein Messer ein Stück Papier.
Die zweite Maschine befand sich in Schwierigkeiten, es gelang ihr nicht, an Höhe zu gewinnen, aber sie wendete und nahm Kurs auf England. James zweifelte, daß sie es auch nur bis Beifort schaffen würde. Die anderen waren bereits in den Wolken verschwunden. Zumindest hatten sie etwas Schaden angerichtet, aber vor allem hatten sie einen großen Schock und ungläubige Verwirrung hervorgerufen.
James mußte noch eine Aufgabe erfüllen, bevor er in die Schweiz zurückkehrte, nämlich herausfinden, wie groß der angerichtete Schaden tatsächlich war. Er wußte bereits, daß er ziemlich gering war, vermutlich nur ein zerstörter Wasserstofftank und vielleicht ein beschädigter Zeppelin, falls sich einer in der bombardierten Halle befunden hatte.
Aber allein die moralische Schlappe war als Sieg zu werten. Es war wirklich erstaunlich, daß es mindestens drei Flugzeugen gelungen war, bis zu dieser streng bewachten deutschen Flugbasis vorzudringen, denn Friedrichshafen war nicht nur der Geburtsort des Zeppelins, sondern auch das wichtigste Testgelände. Es lag ungefähr tausend Kilometer von England entfernt und galt als völlig sicher. Dennoch war der Luftangriff gelungen - der erste dieser Art.
Draußen war die kalte Luft mit Rauch vermischt, der vom Fluggelände herüberwehte. Die Menschen liefen aufgeregt herum und blickten gelegentlich zum Himmel auf, als erwarteten sie einen weiteren Luftangriff.
In einer Bar trank James Schnaps mit einem Mann, der auf dem Gelände mit dabeigewesen war. Er war intelligent, kein Typ, der zu Übertreibungen neigte. Einige Leute seien getötet worden, aber Gott sei Dank wäre der Schaden nicht allzu groß. In einer Woche sei alles wieder repariert. Er kippte seinen zweiten Schnaps in einem Zug hinunter und meinte: «Die englischen Piloten werden Ärger bekommen. Einer der Toten ist ein Schweizer Mechaniker.»
James gab seiner Entrüstung gebührend Ausdruck, aber dachte im stillen: Der blöde Hund hätte zu Hause bleiben sollen. Wenn ein Neutraler sich im Zeppelinwerk aufhielt und womöglich noch den Deutschen half, dann geschah es ihm nur recht', getötet zu werden.
Um zehn Uhr abends bestieg James wieder das Fischerboot. Er lag halb dösend und frierend im Heck. Ein eiskalter Wind fegte über den Bodensee. Er dachte an Margaret und an den seltsamen Zwischenfall, der geschehen war. Als er das Hotel verlassen hatte, war er an dem Raum vorbeigegangen, aus dem die Chopin-Sonate erklungen war. Und trotz seiner Eile hatte er einen Blick in den Raum geworfen, aber kein Klavier entdecken können.
Er mußte Margaret davon erzählen, sobald er sie wiedersähe, obwohl Gott allein wußte, wann das sein würde. Im Moment lautete sein Befehl, die Schweiz bei erster Gelegenheit zu verlassen und sich in Calais mit dem Vertreter der Marine-Informationsdivision in Verbindung zu setzen.
Dies bedeutete vermutlich, daß er nach Belgien zurückkehren sollte, hinter die deutsche Frontlinie. Schon während der Kämpfe um Antwerpen hatte James einige Zeit im Rücken des feindlichen Vormarschs verbracht, um Agenten anzuwerben, die über die deutschen Truppenbewegungen berichten sollten - besonders solche mit der Eisenbahn. Die Idee war, ein Netzwerk von Einheimischen aufzubauen, die regelmäßig Berichte schickten, so daß die Stabsoffiziere ständig auf dem laufenden blieben. Das Netzwerk hatte den Codenamen «Frankignoul» nach seinem Hauptagenten, der einem Offizier unterstand, bekannt als Evelyn, und der im Küstenhafen Folkestone stationiert war.
Aber als James endlich in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages ins Bahnhofshotel in Kreuzlingen zurückkehrte, wartete ein Telegramm auf ihn.
Es kam aus Bern und
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