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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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zerstörte Frankreich mit einem Diplomatenpaß in die Schweiz gereist. Dann hatte er sich vorschriftsmäßig in Nichts aufgelöst und war am Bodensee in der Gestalt von Herrn Franke aus Berlin, der einige Tage Ferien machte, wieder aufgetaucht. Dem Chefportier vom Bahnhofshotel in Kreuzlingen hatte er mitgeteilt, daß er ein paar Tage bergsteigen wollte. Damit begann der zweite Teil seines Abenteuers. Eine lange, dunkle Nacht in einem Fischerboot, das ihn an das gegenüberliegende Ufer gebracht und ihn ungefähr einen Kilometer von Friedrichshafen abgesetzt hatte. Von dort aus war er zu Fuß in den Kaiserhof gegangen.
    Ob die Flugzeuge heute kämen oder nicht, er jedenfalls müßte seine nächtliche Rückfahrt antreten.
    In der Hotelhalle saßen nur noch zwei andere Gäste, doch in den angrenzenden Gesellschaftsräumen spielte jemand Klavier - eine von Chopins Sonaten, er wußte nicht mehr welche. Aber es war eine von Margarets Lieblingssonaten, diejenige, dachte er, mit dem Trauermarsch.
    Sein Zuhause und seine Frau drängten sich plötzlich in den Vordergrund seiner Gedanken. Der Mann, der behauptet hatte, Abwesenheit erhöhe die Liebe, war ein Idiot. Erzwungene Abwesenheit war ein Todfeind der Liebe, und verbunden mit Sehnsucht erzeugte sie gelegentlich quälende Zweifel. Jedesmal, wenn er nach Hause zurückkehrte, fast immer unangemeldet, brauchte er zwei Tage, um die enge Beziehung zu seiner Frau wiederherzustellen, und dann mußte er schon wieder weg. Wenn ihre Ehe diese Härteproben unbeschädigt überstand, dann würde sie jedem Sturm standhalten.
    In letzter Zeit hatte er ein seltsames Phänomen bemerkt. In Momenten der Krise sah er eine Reihenfolge von Bildern vor seinem geistigen Auge, die oft so lebendig waren, daß sie an Halluzinationen grenzten: Margaret saß mit bloßen Schultern am Klavier, ihre Arme bewegten sich graziös wie die einer Tänzerin. Sekundenlang vermeinte er, den Duft ihrer Haare zu riechen, ein Duft, der ihm fast die Sinne raubte.
    Er trank seinen Kaffee und blickte wieder in den Himmel. Er hoffte, sie würden rechtzeitig kommen.
    Der Plan war klug und sorgfältig vorbereitet. Die Anregung stammte vom britischen Militärattache in Bern. Anfang des Monats waren Teile von vier Flugzeugen in Kisten verpackt und mit Piloten, Mechanikern und Besatzung von Southampton nach Le Havre und von dort aus nach Beifort im Südosten Frankreichs transportiert worden. Dort hatte man die Flugzeuge wieder zusammengesetzt.
    Einmal war schon falscher Alarm gegeben worden, aber vor drei Tagen hatte man James ein neues Datum genannt: den Vormittag dieses 21. Novembers.
    Auf dem Fluggelände der Zeppelinwerke herrschte große Geschäftigkeit. Er konnte eine Einheit Soldaten sehen, die auf die Hallen zumarschierten, ihre Münder öffneten und schlossen sich. Offensichtlich sangen sie ein Lied, und er konnte sich auch denken welches, er hatte es bei seinem letzten Besuch in Friedrichshafen gehört.
    Flieg, Zeppelin, flieg Gewinn für uns den Krieg Zerstör England im Feuer Flieg, Zeppelin, flieg.
    Es war durchaus möglich, daß England von den großen Luftschiffen angegriffen würde. Vielleicht würden sie das Land nicht zerstören, aber sie waren zweifellos eine große Gefahr.
    Er blickte hoch, um sich zu vergewissern, daß der obere Teil des Schiebefensters wie üblich offenstand. Wenn sie kamen, wollte er nicht, daß das Glas durch den Luftdruck zersprang. Als er den Kopf hob, hörte das Klavier auf zu spielen, und die erste Explosion erfolgte - der dumpfe Knall eines Flugabwehrgeschützes irgendwo am Rand des Felds.
    Einer der anderen Gäste in der Hotelhalle ließ seine Zeitung fallen und fuhr hoch. James erspähte das erste Flugzeug, eine Avro 504, eine Maschine, die nicht für Bomben gebaut, aber wegen ihrer Robustheit gewählt worden war.
    Er konnte die Motorengeräusche, überlagert von Kanonenschüssen, jetzt deutlich vernehmen. Die anderen Gäste in der Halle hatten ängstlich und aufgeregt ihre Stühle verlassen und stellten sich neben James.
    Die Form des tieffliegenden Flugzeugs wurde mit jeder Sekunde deutlicher sichtbar.
    Schmutzige schwarze Wölkchen explodierten in der Nähe der Maschine, die an Höhe verlor, und die Kanonen eröffneten von allen Seiten das Feuer.
    Das Flugzeug näherte sich, und James sah, daß andere ihm folgten. Bislang konnte man drei erkennen. Dann fielen die ersten Bomben zwischen die Zeppelinhallen.
    Die zweite Avro war jetzt direkt über dem Gelände und warf ihre

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