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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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dieser Felsen im Meer, Andrew, zusammengefallen war. Und an all dem war nur der Krieg schuld.
    Sie dachte an die anderen Mitglieder ihrer angeheirateten Familie. Ihr Unbehagen Giles gegenüber war seit der Eröffnung von Johns Testament nicht von ihr gewichen. Mit Charles und Mildred verband sie eine Art herzliche Kameradschaft, aber ihr war aufgefallen, daß die Ehe nicht sehr gut ging.
    James und Margaret hingegen waren glücklich wie Kinder. James blieb bis Anfang des neuen Jahrs in London. Danach würde Margaret wohl erneut in diesem schrecklichen Schwebezustand der Ungewißheit leben müssen.
    Aber das war ein Problem, mit dem viele Frauen fertig werden mußten. Sie sah es täglich in ihrem Umkreis. Zum Beispiel Martha Crook. Billy war auf Heimaturlaub gekommen und als Held gefeiert worden. Jetzt war er als Unteroffizier wieder an der Front, das weinrote Band des Viktoriakreuzes an der stolzgeschwellten Brust.
    Es klopfte an der Tür; Vera Bolton trat ein und sagte, sie bereite die Zimmer für die Weihnachtsgäste vor und hätte Mr. Caspar ins blaue Zimmer im ersten Stock einquartiert. «Von dort aus ist es am einfachsten, hinunterzukommen, Miss Sara.» Alle Dienstboten hatten sich angewöhnt, sie mit «Miss Sara» anzureden.
    Es klopfte wieder, diesmal war es Porter, der sagte, die junge Rachel Calmer sei an der Hintertür mit einer Mitteilung von Mr. Berry. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte Bob Berrys Heirat mit der Schlachterstochter nicht Porters Zustimmung gefunden. Und obwohl die beiden bereits zwei. Kinder hatten, ein Mädchen und einen Jungen, nannte Porter Rachel Berry immer noch bei ihrem Mädchennamen.
    Sara beendete die Verteilung der Gästezimmer - fast die ganze Railton-Familie würde zum Fest nach Redhill kommen bevor sie Vera bat, Mrs. Berry zu rufen.
    Rachel kam mit hochroten Backen herein, die Kleider feucht vom Nieselregen. Sie hatte das derb-fröhliche Aussehen ihres Schlachter-Vaters. Aber trotz ihrer Jugend hatte sie Bob Berry offensichtlich wohlgetan. Er war zufrieden mit seiner Arbeit, zuverlässig und voller neuer Ideen. Das einzige, was Sara Sorgen machte, war seine häufig wiederholte Bitte, ihn für den Rest des Krieges freizugeben, damit er zur Armee gehen könnte.
    «Bob hat mich gebeten, Ihnen diesen Brief zu übergeben, Miss Sara.» Sie zog einen zerknitterten Umschlag aus der Manteltasche. Rachel zeigte keinerlei Unterwürfigkeit wie die meisten Landarbeiter, sondern blickte Sara unbefangen in die Augen. «Er mußte nach Haversage, um, ich weiß nicht was, zu erledigen, aber hat gesagt, die Erklärung stände im Brief.»
    Sara nahm den Umschlag, bat Rachel Platz zu nehmen und erkundigte sich nach den Kindern, während sie mit des Generals silbernem Dolch, den sie als Brieföffner benutzte, den Umschlag aufschlitzte.
    Sara überflog die wenigen, ordentlich geschriebenen Zeilen. Ihre erste Reaktion war Ärger und Schock, doch schon Sekunden später gewann ihre Selbstdisziplin die Oberhand.
    Sie starrte auf das Papier in ihrer Hand und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Bob hatte etwas wirklich Unentschuldbares getan. Er hatte sie, Sara, gebeten, seiner Frau die schlechte Nachricht mitzuteilen.
    Er schrieb:
    Geehrte Miss Sara,
    Sie werden zweifellos sehr ungehalten sein, wenn Sie diesen Brief lesen. Aber Rachels und der Kinder wegen bitte ich Sie, mir zu verzeihen.
    Ich habe Sie des öfteren gebeten, mich freizugeben, damit ich zur Armee kann. Und mir scheint, je mehr junge, kräftige Männer sich jetzt zum Militärdienst melden, desto eher wird der Krieg gewonnen sein.
    Ich bin jung und kräftig, aber ich weiß, daß die unverheirateten Männer zuerst eingezogen wurden. Aber jetzt ist auch ein besonderer Aufruf an die verheirateten Männer ergangen. Sie halten mich vermutlich für töricht, aber ich würde allen Selbstrespekt verlieren, wenn ich jetzt nicht für mein Land kämpfen würde.
    Es gibt eine Menge Männer, die für den Militärdienst zu alt sind, und ich bin sicher, Sie werden schnell Ersatz für mich finden. Rachel wird Ihnen bestimmt helfen, und ich bitte Sie, ihr zu erlauben, weiterhin in Redhill zu wohnen. Sollten Sie mich nicht zurückhaben wollen, nachdem wir die Deutschen besiegt haben, werde ich meine Frau und meine Kinder woanders unterbringen. Ich fürchte, meinem Eintritt in die Armee geht eine feige Handlung voran. Ich hatte nicht den Schneid, Rachel die Wahrheit zu sagen. Es tut mir leid, Miss Sara, und ich hoffe, Sie verzeihen mir, aber wir haben

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