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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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blieb noch lange wach liegen und fragte sich, ob er ihr erzählen sollte, daß er im Hotel, kurz bevor die Flugzeuge kamen, aus einem Raum, in dem kein Klavier stand, Klavierspiel gehört hatte.
    James hatte C seit Mitte September nicht gesehen und war erstaunt über die düstere Stimmung, die im Haus in der Northumberland Avenue herrschte, in dem die Marine-Informationsdivision jetzt untergebracht war.
    Der diensthabende Offizier bat ihn zu warten und führte ihn dann zu C’s Büro. Er klopfte kurz an, öffnete die Tür, und James betrat das ihm bereits bekannte Zimmer. Doch statt C sah er sich seinem Onkel Giles gegenüber.
    «Setz dich, James, ich fürchte, du mußt mit mir vorliebnehmen. Hast du einen Bericht bei dir?»
    «Ja», sagte James seufzend. Er war früh aufgestanden und hatte alles aufgeschrieben, was er in Friedrichshafen beobachtet hatte.
    «Hervorragende Leistung und ein kleiner Knacks in der feindlichen Kampfmoral. Der tatsächliche Schaden war minimal.»
    Giles murmelte ein kaum hörbares: «Verdammt.» Laut sagte er: «Die zwei Piloten, die heil zurückgekommen sind, wurden wie Helden empfangen. Die Franzosen haben ihnen die Légion d’Honneur verliehen.»
    «Verdientermaßen.» James nickte.
    Giles grunzte und blätterte im Bericht.
    «Wo ist C?» fragte James.
    Giles legte die Papiere beiseite. «C hatte einen Unfall in Frankreich. Sah ihn gestern im Krankenhaus. Sein Sohn fuhr den Wagen, hat plötzlich die Kontrolle verloren. Der junge Mann ist tot. C hat ein Bein verloren.»
    James zog die Augenbrauen zusammen wie unter Schmerzen, er dachte automatisch an Caspar.
    «Er tat etwas sehr Außergewöhnliches», fuhr Giles fort. «Nach dem Unfall erwachte er aus der Ohnmacht und sah sein halb abgetrenntes Bein. Dann hörte er die Schreie des Jungen. Erinnerst du dich an das lange Messer, das er immer bei sich trug?» James nickte. «Nun, C säbelte sein Bein mit dem Messer durch, um zu dem Jungen gelangen zu können.»
    James zuckte zusammen. Die Handlung war sehr bezeichnend für C. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden. Dann fragte James, ob sein Onkel weitere Aufgaben für ihn hätte.
    «Ja.»
    Um die lastende Stimmung etwas aufzulockern, fragte James scherzhaft: «Soll ich vielleicht nach Preußen fliegen und Kaiser Wilhelm eine Kugel verpassen?»
    Sein Onkel sah ihn aus eiskalten Augen an: «Es gibt Dinge, über die man nicht scherzt. Deine Frau wird sich freuen, Du wirst eine Zeitlang in England bleiben.»
    Es war das letzte, was James erwartet hatte.
    «Du hast gute Arbeit geleistet.» Giles’ Gesicht war so starr wie eine Maske. «Ich habe das Ganze mit C abgesprochen. Du wirst einen weiteren Deutschkurs nehmen.»
    «Aber mein Deutsch -»
    «Ist nicht gut genug, um dich als Berliner auszugeben.»
    «Ja, und dann?» fragte James.
    «Und dann!» Giles preßte verdrossen die Lippen zusammen. «Du weißt Bescheid über deine Kusine Marie?»
    «Natürlich. Obwohl wir nie darüber gesprochen haben. Sie ist zum Feind übergegangen.»
    «Nein.» Bitternis erhärtete seine Züge. «Aber die Sicherheit Englands - und des Geheimdienstes - ist gefährdet. Hör mir aufmerksam zu...» Giles gab ihm die jüngsten Informationen bekannt, ohne Charles’ Namen zu erwähnen. Es könne sein, sagte er, daß Marie verführt worden sei mit der Absicht, sie nach Berlin zu bringen, um sie dort irgendwie zu benutzen. «Dies entschuldigt ihr Verhalten in keiner Weise. Aber wir müssen etwas unternehmen, und zwar bald. Du, James, wirst nach Berlin fahren, vermutlich Anfang Januar, und sie herausbringen. Falls dir das nicht gelingt, wirst du dafür sorgen, daß sie niemals mehr Deutschland verläßt. Niemals! Hast du das verstanden?»
    Am 26. November explodierte das vor Sheerness vor Anker liegende Schlachtschiff Bulwark. Über siebenhundert Mann Besatzung fielen dem Anschlag zum Opfer.
    Der «Fischer» war in voller Aktion! Am folgenden Tag schlug er wieder zu. Diesmal tötete er nur einen einzigen Mann. Dieser spezielle Mord machte ihm sehr viel mehr Spaß als die Hunderte von Matrosen, die von seiner Bombe zerrissen worden waren. Er hatte sie eigenhändig in seinem Gasthauszimmer zusammengebastelt. Zu der Zeit brachte niemand den Sabotageakt mit dem Mord in Verbindung.
    Seine Vorgesetzten waren sehr befriedigt über die Versenkung der Bulwark. Steinhauer fuhr nach England, aber nicht nur um seinem Agenten zu gratulieren, sondern um den Fortgang eines von Nicolais Lieblingskomplotts zu überwachen.

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