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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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der Wehrpflicht antreten lassen und jedem auch ohne Geld eine Waffe in die Hand gedrückt. Die Rückkehr nach Halikko wäre dann Fahnenflucht gewesen, die Mitnahme der Waffe Diebstahl von Armeeeigentum, Störung der Kriegshandlungen und Bewaffnung des Feindes.
    Man weiß nicht, ob jemand von den Neffen des Gutsverwalters auf die weiße Seite durchkam, und falls ja, was er mit dem in den Kleidern versteckten Geld anfing, nachdem er ganz umsonst ein Staatsgewehr erhalten hatte. Muncks eigener Sohn brach in Loviisa zur Frontüberquerung auf und wurde in Iitti gefangen genommen. Man fand in seinen Kleidern eingenäht eine Geldsumme, die dreimal dem Jahreslohn von Joel Tammisto im Sägewerk Vartsala entsprochen hätte.
    Munck selbst wurde in Marttila gefunden, tot und ausgeraubt, das Futter seiner Jacke war aufgerissen worden. Später wurde die Tat als Mord durch die Roten bezeichnet, aber nicht als solcher untersucht. Die einzige Instanz, die in dem Fall wenigstens versuchte zu ermitteln, war die Justizverwaltung der Roten selbst.
    In der Kriegsverbrechensdatenbank wird als Todesursache »Bajonettstöße« angegeben. Es ist denn auch wahrscheinlich, dass Rotgardisten die Tat begingen. Niemand sonst hatte im Februar 1918 in Südwestfinnland Gewehre mit Bajonett. Doch genauso gut kann es auch sein, dass Munck von jemandem umgebracht wurde, der mit keiner Partei des Bürgerkriegs in Verbindung stand. Das Verschwinden der Ziegeleikasse war allgemein bekannt, denn die plötzlich ohne Geld dastehende Fabrik hatte ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können. Viele waren erbost: die Arbeiter, die keinen Lohn bekamen, und die Bauern, denen die Tonerde, die sie der Fabrik geliefert hatten, nicht bezahlt wurde.
    Vor dem Hochverratsgericht fragte man Joel Tammisto auch nach dem Verschwinden des schwedischen Staatsbürgers Anders Holm. Joel bestritt, etwas über den Fall zu wissen. Ich glaube, er wusste etwas. Ich füchte, ich weiß, wie es Anders Holm ergangen ist und wo sich seine sterblichen Überreste bis auf den heutigen Tag befinden. Hinter seinem Verschwinden dürfte auch ein Mord stecken. Beziehungsweise eine Tat, die man womöglich als Mord klassifizieren müsste. Mord aber verjährt nicht. Will ich, dass Ermittlungen aufgenommen werden?
    Falls man den Fall Holm als Gewaltverbrechen untersucht, müsste man nach meinem Rechtsverständnis auch die anderen ungeklärten Mordfälle, die in diesem Land geschehen sind, aufgreifen. Nimmt man jedoch bei allen, die in jenem Jahr getötet wurden, Ermittlungen auf, kommen über 30 000 Fälle zusammen.
    Seit Wochen mache ich mir über den rechtlichen Status der Mordtaten des Jahres 1918 Gedanken. Mannerheims Hauptquartier gab im Februar den sogennannten »Auf der Stelle zu erschießen«-Aufruf heraus, der in allen Kirchen des weißen Finnland verlesen wurde:
    Personen, die bei einem schweren Kriegsverbrechen wie dem Zerstören von Straßen, Brücken, Verkehrsmitteln, Elektrizitäts-, Telegraphen- und Telephoneinrichtungen angetroffen werden und damit unserer Armee schaden oder dem Feinden Nutzen verschaffen, werden nicht gefangen genommen: SIE SIND AUF DER STELLE ZU ERSCHIESSEN .
    Dahinter steckte die Absicht, strikt gegen diejenigen vorzugehen, die hinter der Front die Kriegshandlungen der weißen Armee behinderten. Die Anweisung führte zu willkürlichen Tötungen. Senat und Hauptquartier spielten damit, dass im Land noch nicht der Kriegszustand erklärt worden war. Man konnte ihn nicht erklären, denn der junge Staat verfügte noch nicht über eigene Gesetze, und die Ausrufung des Kriegszustandes wäre nur auf der Grundlage der staatlichen russischen Gesetzgebung möglich gewesen. Die aber stand für die verhasste Zeit der Unterdrückung und mit der Erklärung der Unabhängigkeit hatte man sich natürlich von Russland losgesagt.
    Da sich das Land nicht im Kriegszustand befand, war der Feind auch keine militärisch zusammengesetzte Armee. Dementsprechend wurden die Roten als bewaffnete Kriminelle definiert und die Rote Garde mit besonderem Eifer als Horde von Räubern und Rowdys bezeichnet. Die Roten durften auch keine Soldaten sein, weil sie dann den Schutz des internationalen Rechts genossen hätten. Man hätte sie gemäß der Haager Konvention und des Genfer Abkommens behandeln müssen. Ein Soldat aus einer am Krieg beteiligten Armee darf nach der Kapitulation nicht erschossen werden. Erschießt man ihn, begeht man ein Kriegsverbrechen.
    Gefangene Rote aber wurden in vielen,

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