Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
Vom Netzwerk:
aufpassen, dass sie nicht Gott weiß was für Sündenfällen erliegen. Joel versucht Lennu von dessen Tochter abzulenken, da er sie gern noch länger in seiner Nähe hätte.
    »Darf man noch mal nachfragen, was wir bei der letzten Versammlung wegen der Zeitung beschlossen haben?«
    Lennu Lindroos wurde bei der Gründungsversammlung des Arbeitervereins zum Sekretär gewählt, weil er die eindrucksvollste Handschrift im Dorf besaß. Das geben alle zu. Auch diejenigen, die ihn aufgrund seiner Langsamkeit nicht gern in ihrer Arbeitsschicht sehen. Obwohl er seiner eigenen Meinung nach überhaupt nicht langsam ist, sondern nur gründlich. Und sei das etwa die größte Sünde oder Schande, wenn ein Mann seine Arbeit ordentlich machen wolle?
    Vor wenigen Tagen wurde Joel zufällig Zeuge, wie Hilma die anderen Mädchen zum Lachen brachte, indem sie die großspurige Art ihres Vaters nachahmte, sich sonntagnachmittags mit dem schwarz eingebundenen Buch in der Hand in die Kammer zurückzuziehen. Sie führte vor, wie Lennu mit feierlichem Räuspern Tintenfass und Aufzeichnungen hervorholt und einen fürchterlichen Blick durch die Runde schweifen lässt, der das Geschrei der Jungen zu ehrfürchtiger Stille erstarren lässt. Mit der gleichen Feierlichkeit zieht Papa Lindroos die Kammertür hinter sich zu. Jede Rotznase soll begreifen, dass es keine wichtigere Verrichtung gibt als das Verfassen des Protokolls für den Arbeiterverein, und dass man dafür vollkommen ungestört sein muss. Es wird keine Unsauberkeit geduldet! Nicht bei einem so heiligen Dokument.
    Das Runzeln auf dem leicht geröteten jungen Gesicht, mit dem Hilma die grimmige Miene ihres Vaters imitiert, brachte Joel laut zum Lachen. Ja, den Kindern von Lennu Lindroos ist spätestens im Zusammenhang mit diesem Ehrenamt gedämmert, dass es ganz und gar keine geringe Bürde bedeutet, der Mann zu sein, in dessen großen Arbeiterpranken die am meisten anerkannte Schreibfertigkeit des ganzen Dorfes steckt. In denselben Händen, die nach Ansicht einiger Leute bei gewissen Arbeiten zu langsam sind, jedoch für diese historische Aufgabe wie geschaffen.
    Lennu schlägt das Buch dort auf, wo das Löschpapier eingelegt ist, und legt dieses auf Joels Knien ab. Er zieht die Brille aus der Innentasche und setzt sie auf, um zum wiederholten Mal zu überprüfen, dass alles so geschrieben steht, wie es sein soll.
    Protokoll, angefertigt bei der Versammlung der Roten Garde
    20. Juni 1906
    §1
    Zuerst wurde über die Fahnen an der Ehrenpforte diskutiert, wie sie aussehen sollen, und es wurde beschlossen, sie sollen rot-weiß aussehen.
    §2
    Eelis Lindström wurde ausgewählt, die Fahnen zu machen, und K. Helström die Stangen.
    §3
    Dann wurde ein Festkomitee mit 6 Mann gewählt.
Gewählt wurden Kaari Kiviuori, August Aho, Lennu Lindroos, Walfrid Wirta …
    Joel äußert die Vermutung, Lennu sei offenbar besonders stolz auf seine L-Buchstaben, angesichts der vielen Schlaufen, mit denen er sie versehe.
    »Ein Sozialist hat Stilgefühl bis hin zum Namen«, erwidert Lennu düster, ohne sich darum zu scheren, ob sich Joel über ihn lustig macht oder nicht.
    §4
    Dann wurde einstimmig beschlossen, dass die Ordner, wenn sie betrunken zum Festplatz kommen, 5 Mark Bußgeld in die Kasse der Garde zahlen müssen.
    §5
    Es wurde außerdem einstimmig beschlossen, 500 Flaschen Brause zu nehmen.
    §6
    Als Verwalter des geliehenen Geldes wurde Joel Tammisto ausgewählt.
    §7
    Es war eine einstimmige Entscheidung, dass Der Stoß dort gelesen werden soll, wo die Garde sich versammelt.
    Eine Schwalbe saust über ihre Köpfe hinweg, und Lennu beeilt sich, das Buch zu schließen.
    Er äußert auch seine Unzufriedenheit darüber, dass die Zeitung der Garde Der Stoß heißen soll. Es ist nicht zu leugnen, dass in dem Namen eine gewisse Eindrücklichkeit und Wirkung steckt, aber ist Der Stoß wirklich ein Name für eine Zeitung? Neues aus der Garde , sein eigener Vorschlag, balanciert schön auf der sachlichen Linie und weckt keine witzigen Hintergedanken, wurde aber für zu gedämpft gehalten.
    Joel breitete die Arme aus, um zu vermitteln, dass er für die Entscheidung nicht verantwortlich gemacht werden konnte.
    »Dann ist er halt gedämpft«, schnaubt Lennu. »Was ist so schlimm daran, wenn was gedämpft ist? Muss einem schon der Name gleich ins Auge springen?« Leicht ungehalten nimmt er die Brille ab und wischt über die Gläser. Es handelt sich um ein Erbstück seines verstorbenen Bruders und passt nicht

Weitere Kostenlose Bücher