Eine eigene Frau
so dürftig, dass die Stube eine wahre Sauna gewesen sein muss, wenn der Ofen in Betrieb war.
Ich werde das ganze Ding bis zum Sockel abtragen und dann neu aufmauern. Die Backraumwölbung mache ich um die Hälfte kleiner. Bis jetzt hätte da fast ein Mensch hineingepasst. Tatsächlich erzählt man sich, dass in Zeiten der Verfolgung Leute in die Öfen krochen: auf der Flucht vor Kosaken, vor Roten, vor Weißen, vor den Bomben der Russen, wovor auch immer. Ein kleiner Mensch hätte hineingepasst, aber Steinmasse und Verblendung hätten keiner Bombe standgehalten.
Damit ich mir neue Ziegel kaufen kann, muss ich mehr Aufträge bekommen. Zwei Annoncen im Lokalblatt Salon Seudun Sanomat haben ein paar Anrufe gebracht, aber nur zwei kleinere Arbeiten scheinen sicher zu sein. Die übrigen Anrufer wollten Treppen und Garagenauffahrten aus Beton oder Verbundsteinwege, obwohl in der Anzeige deutlich stand, dass ich nur mit Granit und Schiefer arbeite. Andere halten sicherlich auch meine Tarife für zu hoch.
Meine Literatur zum Bürgerkrieg habe ich in der Bibliothek von Salo und im Archiv der ehemaligen Gemeinde Halikko vervollständigt. Aber den Fund, der mich am meisten in Erregung versetzte, machte ich auf Arvis Spuren. Hinter den Büchern im Regal befand sich ein Büchlein, das heruntergefallen sein mochte oder aber bewusst dort versteckt worden war.
Das dünne Buch hatte einen Pappeinband und stammte aus der Feder eines Mannes namens Olavi Nurmi. Es ist im Selbstverlag erschienen und beschreibt die Ereignisse des Frühjahrs 1918 aus der Sicht der Roten. Der Verfasser war eindeutig ein revolutionärer Kommunist mit dem großen Bedürfnis, das Unrecht und die Verbrechen, die seine Nächsten damals erfahren hatten, öffentlich zu machen. Gedruckt wurde die Publikation 1982. Sie trägt den Titel So leicht verlor ein Mensch damals sein Leben . Wie schon die Chronik des Dorfes Vartsala, so ist auch dieses Büchlein als eine Art Mundartroman ohne größeres literarisches Talent verfasst worden.
Interessant wird es an den Stellen, wo die unbeholfen zusammengereimten Kapitel von dokumentarischen Abschnitten unterbrochen werden, die auf Interviews und Erinnerungen von Augenzeugen beruhen. Darin wird vom Marsch der in Somero gefangen genommenen Roten zum Massengrab in Märynummi berichtet. Die Stellen, die auf Zeugenaussagen beruhen, sind schrecklich zu lesen, aber glaubwürdig. Auch dieses Buch hat Arvi hitzig kommentiert, mal zwischen den Zeilen, mal am Rand.
Sowohl die Berichte als auch Arvis Hinzufügungen sind eine ziemlich anregende Lektüre. Als ich las, was ein Mann namens Jussi Uunimäki über den Abmarsch der Gefangenen in Somero erzählte, wurden mir die Augen feucht. Die beschriebenen jungen Männer waren höchstens so alt wie mein Sohn, einigen Bemerkungen zufolge sogar um etliches jünger.
Als O. W. Nurminen in der Nacht kam, um uns zu wecken und die Namen aufzurufen, waren alle ein bisschen unruhig, vor allem weil nur diejenigen aufgefordert wurden, in einer Reihe vorzutreten, die schon vorher das Todesurteil bekommen hatten. Weil auch mein Bruder unter denjenigen war, die weggebracht werden sollten, ging ich vor dem Aufbruch zu ihm, um mich von ihm zu verabschieden, auch wenn zu dem Zeitpunkt noch keiner geglaubt hat, dass man einfach so einen solchen Mord begehen kann. Vor dem Abmarsch gab mir mein Bruder sein zweites Hemd und sagte, er habe keine Lust, es mitzuschleppen. Ich nahm es. Es war ein rot und weiß gemustertes Hemd. Dies war der letzte Abschied für uns Zwillinge. Ich sah auch die Wachmänner, die den Trupp wegbrachten, doch ich kann mich nicht mehr an alle erinnern. An einen gewissen Urho Hurri und an den Sohn eines Schöffen aus Kultala erinnere ich mich aber. Dann verließ Somero noch eine Gruppe Auswärtiger, von denen es hieß, sie kämen aus Nauvo. Sie sprachen sehr laut schwedisch, und keiner verstand sie.
Man war davon ausgegangen, dass die Gefangenen, die nach Märynummi in Halikko geführt werden sollten, bis zum Morgen das Gemeindegebiet von Somero verlassen hätten. So geschah es aber nicht. Die Gefangenen hatten die Ruhr, ihre Marschgeschwindigkeit war langsamer als berechnet. Im Dorf Häntälä waren die ersten Leute bereits wach. Auch Alma Vesterviikki saß auf der Treppe ihres alten Häuschens in der Sonne und sah von Somero her den Gefangenentrupp näher kommen. Als der Trupp sie erreichte, wurde Alma von den Brüdern erkannt, und sie riefen:
»Guten Morgen, Alma, grüß den Papa
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