Eine eigene Frau
und die Mama!«
»Wo bringt man euch hin?«, rief Alma zurück.
»Nach Märynummi, heißt es. Ich hab gebeten, dass wir kurz nach Hause dürfen, die verschwitzten Hemden wechseln, aber sie sagen, die brauchen wir nicht mehr.«
Meine Bestürzung nahm weiter zu, als ich, zum Teil mit Hilfe des Wörterbuchs, die Anmerkungen in dem Büchlein las, die der Handschrift nach tatsächlich nur von Arvi Malmberg stammen konnten. Die erste Anmerkung kam an der Stelle, wo der Aufbruch des Gefangenentransports beschrieben wird. Nurmi berichtet, der Trupp sei in der Nacht aufgebrochen, aber am Rand stand: »Falsch!« In Wirklichkeit, so Arvi, sei die Karawane erst nach Sonnenaufgang losgezogen. Auf der Seite, wo Nurmi von berittenen, schwedisch sprechenden weißen Freiwilligeneinheiten erzählt, steht die schockierende Bemerkung: »Damit meint er uns.«
Laut Arvi gehörten der Gruppe nicht bloß Freiwillige von den Turkuer Schären an, sondern auch Schweden. Einer von ihnen wird an mehreren Stellen mit Vornamen genannt. Er heißt Anders.
Nurmi wiederum nennt die Namen der Männer, die auf Befehl des Stabs des Schutzkorps in den Häusern eine ausreichende Menge an Eisenstangen und Schaufeln einsammelten, damit die mehr als 100 Roten, die erschossen werden sollten, begraben werden konnten.
Allerdings wurde die Arbeit nur schlecht ausgeführt, denn vielen Zeugenaussagen zufolge zwang der Leichengeruch, der um den Hinrichtungsort herrschte, einen speziellen Arbeitstrupp dazu, die schon einmal verscharrten Roten später ausreichend tief zu beerdigen. Arvi bestätigt das. Er erwähnt den Leichengeruch bei seinem Besuch am Hinrichtungsort im Sommer: »Es roch stark.«
Was die Anzahl der im Massengrab Verscharrten betrifft, ist Arvi hingegen anderer Meinung als Nurmi. Dieser schätzt, es wären knapp unter 50 gewesen, Arvi hat die Zahl mit mehreren Ausrufezeichen auf 50 korrigiert.
Unterschiedliche Werte geben Arvi und der Verfasser auch bei den Gefangenen an, die unterwegs zu fliehen versuchten und umgebracht wurden. Laut Nurmi wurde auf dem Weg zumindest ein Gefangener getötet, und am Ziel gelang es zwei Jungen zu fliehen, unmittelbar bevor sie an der Reihe waren. Arvi behauptet in seinen Randbemerkungen, unterwegs sei ein Gefangener geflohen, aber in Märynummi habe er nur einen Jungen fliehen sehen, und auch der sei einige Tage später erwischt worden.
Nurmi berichtet auch, zum Begräbniskommando habe eine spezielle Abteilung gehört, die sämtliche Wertgegenstände der Hingerichteten beseitigt habe: Stiefel, die besseren Kleidungsstücke und natürlich die Ringe und den Inhalt der Geldbörsen. Diese Leichensäuberer wurden der Schilderung zufolge als »Abgreifer« bezeichnet.
Dort, wo Nurmi schreibt, viele der mit Namen genannte Exekutoren seien später verrückt geworden, weil sie ihre Tat nicht ertrugen oder weil sie trotz aller Geheimhaltungsmaßnahmen in den umliegenden Gemeinden bekannt geworden waren, hat Arvi drei rote Ausrufezeichen an den Rand gemalt.
Ich wollte nicht mehr weiterlesen, sondern ging wieder dazu über, den seltsamen Ofen abzubauen. Arvis Randbemerkungen ließen keinen Spielraum für Interpretationen. Falls er sich in einem Anfall von Wahnsinn nicht alles eingebildet hatte, bewiesen seine Notizen, dass er vor Ort und zwar auf der Seite der Scharfrichter gewesen war. In der wissenschaftlichen Publikation Die finnischen Kriegsverbrechen hatte ich gelesen, dass die Hinrichtungen in Märynummi von Schutzkorpsangehörigen aus Somero vorgenommen worden waren. Doch nun erwähnen Nurmi und Arvi einhellig, es seien bei der Strafaktion auch berittene Männer dabei gewesen, die nur Schwedisch sprachen. Besonders aber bestürzte mich die Tatsache, dass sich unter den Hingerichteten von Märynummi mehrere erschreckend junge Männer von nicht mal 20 Jahren befunden hatten.
1906
8. Januar. Die Säge lief wieder.
11. Februar. Gründungsversammlung des Arbeitervereins im Gemeinderaum Halikko.
Monatsversammlung der Arbeiter in Mätikkä am 25. März.
3. April. Die Säge stand.
10. April. War in Salo.
16. April. Bunter Abend in Kokkila.
2. Mai. Die Säge lief wieder an.
27. Mai. Außerordentliche Versammlung der Genossenschaft.
17. Juni. Rote Garde unternahm Ausflug mit 9 Booten nach Kirjakkala.
23. Juni. Johannisfeier auf der Insel Valttila.
15 Juli. Agitationsfest in Salo.
16. Juli. Arbeiterverein in Vartsala wurde gegründet.
Das allgemeine Wahlrecht bekamen wir am 20. Juli. Zar Nikolaus II.
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