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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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bisschen verworren sind, aber doch erstaunlich hübsch. Oder was meint Saida? Fühlt sie sich von der Landschaft auch so gut unterhalten?
    Saida räumt verblüfft die Verdienste der maritimen Ausblicke ein und fügt hinzu, die frische Luft sorge für seltsam starken Hunger, weshalb sie jetzt mal nachsehen werde, ob die Frauen noch Brot und Saft übrig hätten. Doch als sie sich abwendet, um zu flüchten, spürt sie einen festen Griff am Arm.
    »Warte!«
    Seelia öffnet die Hand, in der sie ein in Pergament verpacktes Butterbrot versteckt hat.
    »Hier. Du kriegst das. Wenn du willst.«
    Saida starrt auf den dünnen ausgestreckten Arm, auf die blauen Adern, die unter der durchsichtigen Haut verlaufen.
    »Ich habe es nicht angerührt. Es ist die ganze Zeit eingeschlagen gewesen. Sakari hat mich gezwungen, es mitzunehmen.«
    Ja, gezwungen hat er sie. Obwohl Seelia mehrmals gesagt hat, sie habe keinen Appetit. Aber Herr Sakari Salin war nun mal der Meinung, alle müssten ihr Proviantbrot essen, wo man nun mal bei einem Ausflug sei. Ob Saida aufgefallen sei, dass Männer ihren Frauen gegenüber sehr energisch werden können, nachdem sie sich ein paar Punschkaffees gemacht haben? Dann bekomme man nicht mehr die Vorstellung aus ihrem Kopf heraus, dass sämtliche Widerreden ihrer Frauen nur Ziererei wären und mit einem düsteren Geheimnis zu tun hätten, das sie ausbrüten. Dabei stimme das gar nicht. Die Ehefrau brüte nichts aus. Sie brüte zum Beispiel nicht den Gedanken aus, dass dieser Sommerausflug der letzte ihres Lebens sei. Sie habe einfach keinen Appetit. Mehr stecke nicht dahinter.
    Aber möchte Saida es denn haben?
    »Danke.«
    Saida schnappt sich das Brot und beißt sofort ein kleines Stück ab, um zu demonstrieren, dass sie wirklich dankbar ist und kein bisschen besorgt wegen einer nicht mit Namen genannten Krankheit.
    »Schmeckt sehr gut, danke.«
    Seelia beobachtet genau und irgendwie begierig, wie das Brot im Mund des Mädchens verschwindet. Dabei lehnt sie sich mit dem Rücken an die Reling, die Arme ausgebreitet. Ein kleiner Windhauch löst die stehende Hitze ab. Das junge Birkenwäldchen auf der Insel, die sie passieren, schwankt leise hin und her. Nachdem Saida ihre Aufgabe siegreich erledigt hat, wirft sie das Butterbrotpapier ins Wasser und verfolgt, wie es auf den grünen Wellen treibt und dann hinter dem Kahn verschwindet. Seelia hustet in ihr Taschentuch und seufzt.
    »Gewisse Personen sind ja der Ansicht, dass der Zweck eines sommerlichen Schiffsausflugs gar nicht darin besteht, das Meer und die Landschaft zu bewundern«, sagt Seelia mit Nachdruck und schaut dabei über Saidas Schulter hinweg. Einem lebendigen und aufgeweckten Mädchen wie Saida Harjula ist womöglich aufgefallen, dass gewisse Personen die Natur alles andere als interessant finden. Was ist schon sehenswert an dummen Schafen, die rund um eine Insel um ihr Leben rennen, weil sie vor einem bedeutungslosen Schatten erschrecken? Manche sehen darin nichts Interessantes. Und warum auch, schließlich werden sie schon ganz rund vor Glück, wenn sie nur im Eck heimlich mit Schnaps herumpanschen können.
    Saida stimmt zu und ergänzt, ihr Vater habe sie vermutlich genau deswegen nicht mitfahren lassen wollen.
    »Aber er hat dich doch gelassen!«
    Dieser Satz wird hinter Saidas Rücken ausgesprochen. Sie fährt herum und sieht Sakari vor sich stehen, leicht schwankend, die Hände in den Hosentaschen. Seelias bittere Worte waren also an ihren Mann gerichtet. Allerdings scheint sich Sakari, der vor guter Laune nur so strotzt, nicht an der Rüge seiner Frau zu stören.
    »Man fragt sich, was passiert, wenn der Herman Harjula endlich einmal seine Tochter vom Pflock losbindet.«
    »Würdest du jetzt endlich um Himmels willen die Flasche zu lassen«, sagt Seelia.
    In ihrer Stimme klingt Verzweiflung mit, die Sakari sofort veranlasst, den Rücken durchzustrecken.
    »Ja, ja. Na klar.«
    Allerdings spült die Betrunkenheit dem Mann weiterhin so viel Leichtsinn in den Kopf, dass er es sich nicht verkneifen kann, Saida an einem ihrer Zöpfe zu ziehen.
    »Das Mädchen hier, das wächst so schnell, dass die Zöpfe spannen.«
    Er hebt die Hand und legt sie Saida auf den Kopf, schätzt, sie sei schon größer als ihre Mutter, die ebenfalls eine Frau von ansehnlicher Größe sei. Damit hat er zwar recht, aber gerade daran will das Mädchen als Allerletztes erinnert werden. Insgeheim hat sie angefangen, die Absätze ihrer Schuhe abzuschleifen, und im Sommer

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