Eine eigene Frau
Schmalz und Äpfel, Honig, Reste vom Weihnachtsschinken, Pilze, Pflaumen, Wein und eine riesige Menge Sauerkraut hinein. Und dazu natürlich die zwielichtigen Würste, die der General mitgebracht hatte. Zu allem Überfluss erklärte der General noch, den Polen schmecke dieses Gericht am besten, nachdem es dreimal aufgewärmt worden sei. Eigentlich hätte es schon vorab zubereitet und vor dem Servieren an zwei Tagen aufgewärmt werden müssen. Die Großmutter erzählte, sie sei mit den Sitten der Polacken nicht vertraut, würde aber lieber sterben, als den Gästen des Herrenhauses dreimal aufgewärmtes altes Essen aufzutischen.
Sakari gießt Kaffee in die Tassen und wundert sich über Frau Malmbergs Mut, so im Beisein von General und Gräfin zu reden. Saida gesteht etwas kleinlaut ein, die Oma habe es sicherlich erst gesagt, nachdem General und Gräfin die Küche verlassen hatten. Aber sie habe sich auf jeden Fall ausführlich bekreuzigt, als sie hörte, der General könne nur eine Nacht bleiben.
Sakari nickt und rührt mit dem Löffel in der Tasse. Er begreift, dass seine dumme Frage die schöne Geschichte verdorben hat. Es ist doch klar, dass Saida alles so merkwürdig genau erzählt, fast wie auswendig gelernt, um ihn zu amüsieren. Sicherlich ist dieselbe Geschichte auch anderswo schon erzählt und mit herzlichem Lachen belohnt worden.
Sakari befürchtet, Saida könne ihm ansehen, wie sehr er möchte, dass sie möglichst bald geht. Ihre lebhafte Erscheinung so nahe zu erleben, ist mehr, als er jetzt verkraftet. Wenn er wenigstens einen Schluck trinken könnte!
»Und, hat es sich verkauft? Das polnische Essen?«, versucht er unbeholfen seinen Fehler auszumerzen.
Wohl schon, sagt Saida. Sie ist nicht dazu gekommen, die Großmutter danach zu fragen, weil an dem Tag so viel zu tun gewesen sei und auch sonst allerhand vorgefallen sei.
»Ach ja?«
Sakari sieht sie fragend an, obwohl er keinerlei Interesse für das Leben im Herrenhaus hegt. Eigentlich nicht einmal für die Angelegenheiten seines Dorfs.
»Na ja, nichts Außergewöhnliches.«
Aber in den Augen des Mädchens blitzt etwas auf. Rasch trinkt sie ihren Kaffee aus. Sakari ist jetzt sicher, dass er Saida mit seiner Wortkargheit und seinen abgehackten Bemerkungen betrübt hat. Als er noch mit Seelia zusammenlebte, hatte er entweder Angst, in ihrem Beisein falsche Dinge von sich zu geben oder nicht genügend Interesse für das Thema aufzubringen, das für seine Frau in dem Moment gerade wichtig war. Nie konnte man wissen, was sie verletzte, aber es gelang ihm ein ums andere Mal, worauf sie tagelang in verbissene Stummheit versank.
Je schlechter Seelias Gesundheitszustand wurde, desto düsterer wurde es zwischen ihnen beiden. Ständig quälte Sakari das Gefühl, jene grausame schleichende Krankheit sei auf irgendeine unerbittliche Weise durch ihn verursacht worden und sein falsches Verhalten habe am Ende die Genesung seiner Frau verhindert. Als Seelia ihm vorwarf, in seinem tiefsten Inneren wünsche er sich doch, dass sie sterbe, wusste er gar nicht mehr ein und aus.
Natürlich hatte er es sich nicht gewünscht.
Es war das Letzte, was er sich gewünscht hätte!
Aber dann, in der Zeit der tränenreichsten, ermüdendsten Vorwürfe, hörte Sakari in sich eine Stimme, die sich wütend wehrte: Dann stirb doch, verdammt noch mal! Stirb!
»Deine Oma hatte also genug vom General«, sagt Sakari.
Saida lächelt sogleich und erzählt, die Oma habe am Ende ihre Meinung über den Mann geändert. Dieser sei am Morgen seiner Abreise nämlich gekommen, um sich beim Küchenpersonal ausdrücklich für die gelungene Bewirtung zu bedanken. Da musste die Oma zugeben, dass man ihm zumindest keine schlechten Manieren vorwerfen konnte.
Sakari hat das Gefühl, dem General ewig für dessen Morgenvisite in der Küche dankbar zu sein, denn dadurch ist ihm jetzt die Gnade eines erstaunlich strahlenden Lächelns gegönnt. Hinter dem Mädchen hängt ein Bild an der Wand, auf dem ein Engel zwei kleine ernste Kinder über einen Abgrund führt, und Sakari kommt es so vor, als habe auch das Mädchen mit seinem hellen Kopftuch etwas vom Glanz eines himmlischen Wesens an sich. Vielleicht ist Saida ja ein Engel, der gekommen ist, um ihm zu verkünden, dass er es immer noch verdient hat zu leben, auch wenn Seelia sterben musste?
»Eines von den Dienstmädchen war allerdings der Meinung, dass der General seinem Hund mehr Wert beimisst als seinen Dienern«, fährt Saida fort. Sie hatte den
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