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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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General nämlich mit feuchten Augen über seine geliebte Jagdhündin reden hören, die kurz zuvor eingeschläfert werden musste, weil sie an Tollwut erkrankt war. Die Hündin hatte einen Diener gebissen, aber über dessen Schicksal hatte der General kein Wort verloren. Sicher war der Diener gestorben, was den General aber nicht sonderlich zu erschüttern schien.
    »Ach, was rede ich da für Sachen!«
    Saida blickt auf die Kinder und bricht in wortreiche Bitten um Entschuldigung aus.
    »Das macht doch nichts … keine Ursache«, sagt Sakari.
    Das Mädchen steht auf.
    »Danke für den Kaffee! Jetzt gehe ich aber, bevor ich noch mehr dummes Zeug rede.«
    Sakari findet die übermäßige Reue dieses wunderbaren Wesens wegen so einer nichtigen Geschichte rührend, aber sie erinnert ihn auch an die letzten Wochen von Seelia, als sie sich in einen anderen Menschen zu verwandeln schien und liebevoll und zärtlich wurde. Sakari hat das Gefühl, Seelia während jener Tage zum ersten Mal so kennengelernt zu haben, wie sie wirklich war. Oder wie sie gewesen wäre, wenn die Sorge um die Kinder und die zehrende Krankheit sie nicht daran gehindert hätten, sie selbst zu sein. Seelia erzählte, sie habe all die Jahre geglaubt, ihr Mann habe sie nur zur Frau genommen, weil ihnen ein Missgeschick passiert sei. Sie habe einfach nicht glauben können, dass ein Mann wie Sakari sich ernsthaft etwas aus ihr mache, und dieser Gedanke habe sie mehr gequält als die Krankheit. Sie habe vermutet, er träume ständig von anderen Frauen, treffe womöglich sogar welche hinter ihrem Rücken. Seelia sagte, ein Mann wie Sakari hätte in all den Jahren eine bessere Frau verdient gehabt. Daraufhin hatte Sakari ihr versichert, sie sei in jeder Hinsicht gut genug für ihn gewesen und er würde alles tun, um zu verhindern, dass seine Frau, die so zerbrechlich wie ein Vögelchen geworden sei, aus seinem Leben und dem Leben der Kinder scheide.
    Und dennoch war es ihm bei Seelias Tod so vorgekommen, als sei eine enorm schwere Last, schwerer als jede Ladung Schnittholz, von ihm gefallen und habe ihn vollkommen gefühllos zurückgelassen.
    Sakari hilft Saida in den Mantel.
    Als er ihr die Tür öffnet, hört man den verstimmten Johlgesang der betrunkenen Burschen. Sakari fragt sich, ob Saida wohl Angst vor ihnen hat. Aber es scheint ihm auch nicht angemessen, ihr anzubieten, sie nach Hause zu begleiten.
    »Gruß zu Hause«, sagt er.
    »Danke, ich werde es ausrichten«, sagt der Engel und verschwindet in der Dunkelheit der Nacht.

Joel, 29
    Tampere, Mai 1913
    Der Regen trommelt dumpf aufs Dach, läuft die Fallrohre hinunter. Es ist kein gleichmäßiges, beruhigendes Geräusch, nicht rhythmisch, sondern eines, das unruhig macht. Hilma schläft seit dem frühen Morgen, will aber noch immer nicht aufwachen. Sie murmelt etwas, dreht sich um, vergräbt den Kopf im Kissen und ist schon wieder im Schlaf versunken.
    Kurz darauf schreckt sie erneut auf.
    »Joel, Jooeel!«
    Joel tritt zu ihr, er trocknet sich die Hände mit dem Geschirrtuch und sieht, wie seine Frau versucht aufzustehen. Zärtlich drückt er sie aufs Bett zurück.
    »Nein, du musst dich noch ausruhen …«
    Hilma wundert sich über das Geschirrtuch in der Hand des Mannes. Joel sagt, er habe die Kaffeetassen von Hilma und der Hebamme gespült. Hilma kann sich nicht einmal daran erinnern, Kaffee getrunken zu haben, sie erinnert sich nur an das klingende Geräusch, als ihr Mann die Weingläser brachte. Aber nicht an Kaffee.
    »Wo ist der Junge jetzt?«
    Joel sagt, der Junge schlafe neben dem Herd. Seine Frau will wissen, warum dort. Warum ist das Kind nicht bei ihr? Hilmas Stimme ist schrill vor panischer Angst. Der Junge ist doch noch so klein, wie ein Floh, ganz winzig im Vergleich zum ersten. Sie muss den armen Kleinen ununterbrochen mit der Wärme ihres Körpers schützen.
    Joel sagt, er tue, was die Hebamme ihm befohlen habe. Sie sei der Meinung, Hilma brauche jetzt vor allem Ruhe.
    »Ist er gesund?«
    Joel wirft sich das Geschirrtuch über die Schulter, nickt und öffnet die Tür, sodass man ein gedämpftes Weinen hört.
    »Ich bring ihn dir.«
    Hilma beruhigt sich und legt den Kopf aufs Kissen, wagt es sogar leicht zu lächeln. Sie befühlt ihre Brust, zuerst die eine, dann die andere: noch keine Milch, aber so ist es doch immer am ersten Tag. Sie erinnert sich, dass ihr die Hebamme, diese flinke, tatkräftige Person, die Anweisung gegeben hat, sich auf Stillschmerzen im Unterleib gefasst zu machen.

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