eine Elfenromanze
auch Ihr. Keiner sonst weiß, wo diese Jagdhütte liegt, von der sie alle reden.“ Selina wollte etwas einwenden, doch er brachte sie mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen. „Glaubt Ihr, Liones würde seine Mädchen auf seinem Pferd hierher entführen? Sechs Stunden Ritt über die Ebene und durch den Wald? Nun, dann hätten sie wahrlich Grund, wütend auf ihn zu sein!“ Er lachte auf, doch es klang nicht wirklich fröhlich. „Seht Ihr den Spiegel dort?“ Er zeigte zur gegenüberliegenden Ecke des Raumes, wo ein mannshoher, rechteckiger Spiegel stand. Er war mit einem goldenen, reich mit Verzierungen geschmückten Rahmen versehen.
Selina blickte in die angewiesene Richtung und nickte ratlos. Worauf wollte Harras hinaus?
„Nur, dass es kein Spiegel ist“, behauptete der Krieger.
Die Halbelfe kniff irritiert die Augen zusammen. Nein, sie konnte ganz deutlich sehen, wie das Bild des Zimmers in dem Glas reflektiert wurde. Natürlich war es ein Spiegel! Was denn sonst?
„Es ist ein Dimensionsportal. Eine Art magische Überbrückung von Raum und Zeit zwischen hier und Liones’ Privatgemächern im Schloss der Grafschaft.“
„Was!“ Selina sprang auf. „Das bedeutet, dass Arikor einfach hier durchspazieren kann?“
„Nein, tut es nicht. Beruhigt Euch und vertraut mir. Liones hat dieses magische Spielzeug hier anbringen lassen. Dieser vermeintliche Spiegel hat vermutlich weit mehr gekostet als das Haus und die Jagdgründe drum herum. Die Magie des Portals reagiert einzig und allein auf Liones’ Stimme und seinen Befehl. Kein Anderer kann es aktivieren.“
Selina schlang die Arme eng um ihren Oberkörper und starrte den Spiegel verängstigt an, als fürchte sie, jeden Moment könne er sich verändern und jemand hindurch kommen.
Harras ließ ihr Zeit, seine Worte zu verarbeiten. Die Halbelfe war hier sicher – zumindest vorerst. Arikor würde sich leicht zusammenreimen können, dass er sie hierher gebracht hatte. Harras konnte nur hoffen, dass dem Grafensohn die Mühen nicht wert waren, um seine Rache auszuüben. Denn sollte Arikor es wirklich darauf anlegen, dann würde früher oder später das Geheimnis um ihren Aufenthaltsort ans Licht kommen.
Der Regen trommelte unentwegt auf das Dach der Hütte. Donner grollte.
Harras fiel die Beunruhigung auf, die sich deutlich auf Selinas Gesicht abzeichnete. Doch sie blickte nicht länger auf den Spiegel, sondern auf die Wildtierfelle.
„Sie wären ohnehin als Braten auf dem Spieß gelandet“, bemerkte er, da er glaubte, der Halbelfe grause es angesichts der vielen Tiere, die ihr Leben dafür lassen mussten.
„Als ich mich entschlossen habe, auf das Bankett zu gehen“, sagte sie leise, „habe ich mir gleichzeitig auch geschworen, dass ich niemals freiwillig einen Fuß in sein Liebesnest setzen werde.“
„Nun, Ihr seid ja nicht freiwillig hier, wenn Euch das beruhigt“, meinte Harras, merkte aber gleichzeitig, wie unpassend und unangemessen seine Worte waren. Er stand auf und trat an sie heran. „Habt Ihr Angst, dies alles könnte nur ein Vorwand gewesen sein, um Euch hier herzubringen?“
Selina schüttelte schweigend den Kopf. Nein, ihr war durchaus bewusst, wie ernst ihre Lage war. Und angesichts dessen war sie auch dankbar, dass Harras sie versteckte und auf sie aufpasste. Doch beim Anblick dieses eigenwilligen Lagers konnte sie sich gewisser Vorstellungen nicht erwehren, die sich in ihren Geist drängten. Sie hatten etwas mit Liones und nackten Körpern zu tun ...
„Sind Frauen für ihn wirklich nur Spielzeug?“, sprach sie schließlich zögernd die Frage aus, die ihr seit dem letzten Abend immer wieder durch den Kopf ging.
Harras zog verwundert die Augenbrauen hoch. „Eine eigenartige Frage, wenn man bedenkt, dass Eurer Leben bedroht wird.“
Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm ernst in die Augen. „Eben darum. Ich will wissen, wer der Mann ist, für den ich das alles riskiere.“
Er überlegte einen langen Moment. Sein Herr hatte einen eindeutigen Ruf bis über die Grenzen von Ametar hinweg. Er galt als ein Elf, dem die Frauen zu Füßen lagen und der ausgelassen Feste zu feiern pflegte und selten einen teuren Tropfen im Glas ablehnte. Doch das war eine Fassade. Kaum jemand kannte den wahren Liones. Und das war gut so. Das Leben des Grafensohns war nicht so glamourös und sorgenfrei, wie es nach außen hin den Anschein hatte. Keine von Liones’ Geliebten hatte jemals einen Blick hinter die Fassade geworfen. Doch Selina war
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