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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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noch mal. Naja, mehr oder weniger jeden-falls. Der Vater meiner Freundin ist Vertreter für Urnen und Särge und ziemlich puritanisch, da kann ich doch nicht einfach hingehen und mich - aber ich hätte es sowieso nicht getan, weil ich finde, daß so etwas viel zu wichtig ist, nicht wie bei den Eichhörnchen oder irgendwelchen Tieren. Ich will damit nichts gegen Eichhörnchen sagen, dazu kenne ich sie gar nicht gut genug. Vielleicht sind sie ja genauso puritanisch wie Sargvertreter. Aber Viola ist so verdammt - na ja, ich sollte eigentlich nicht schlecht über sie reden. Vielleicht hat sie nur versucht, meine Stimmung zu heben.«
    »Hmja«, meinte Peter. »Das hat sie zweifellos. Wo ist sie dann hingegangen?«
    »Keine Ahnung. Ich habe zufällig dieses Galium triflorum hier entdeckt und versucht, sie damit abzulenken, aber sie hat nur gesagt, ich soll es mir sonstwo hinstecken, und ist wütend davongerauscht.«
    »Nun ja, das Leben kann grausam sein«, seufzte Winifred. »Zu einigen Menschen jedenfalls. Warum gehen Sie nicht wieder zurück ins Haus, Knapweed? Es scheint heute einen ziemlichen Zustrom an Besuchern zu geben, wir sollten die Station daher nicht unbeaufsichtigt lassen. Wir können in der Zwischenzeit nachschauen, wo Viola steckt. Ich glaube, wir gehen am besten hier lang.«
    Winifred Binks, die Spuren lesen konnte wie ein Indianer, hatte eine kaum erkennbare Veränderung an einem Blatt oder einen schwachen Abdruck im weichen Waldboden entdeckt und tauchte zielstrebig ins Unterholz ein. Unter normalen Umständen wäre es weder ihr noch den Männern in den Sinn gekommen, der jungen Frau nachzuspionieren, doch heute war eben kein normaler Tag.
    Es war nicht schwer, der Spur zu folgen, Viola war schließlich keine Indianerin. »Sie ist in Richtung Straße gelaufen«, stellte Winifred fest, nachdem sie etwa eine viertel Meile gegangen waren. »Dem Himmel sei Dank. Inzwischen müßte sie den Wald längst verlassen haben.«
    »Urrgh!«
    Dr. Svenson hätte seine Meinung nicht deutlicher kundtun können. Die Spurensucher befanden sich inzwischen tatsächlich ganz in der Nähe der Straße, so daß sie bereits den Asphalt zwischen den Bäumen durchschimmern sehen konnten. Doch viel deut-licher sahen sie direkt vor sich ein Szenarium, das Schlimmes ahnen ließ: abgerissene
    Farnwedel, aufgewühlter Waldboden, abgebrochene Zweige und ein Fetzen aus hellgrünem Baumwollstoff, der an den Dornen eines Brombeerbusches hängengeblie-ben war.
    Winifred war entschlossen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. »Vielleicht ist sie über ein Wespennest im Boden gestolpert und hat sich dann in einer Ranke verfangen, als sie weitergelaufen ist. Das ist mir auch schon einmal passiert, und es ist wirklich nicht angenehm, das kann ich euch sagen. Man kann nur noch wie verrückt herumtanzen, was natürlich genau das Falsche ist. Sehen Sie, hier ist sie durch den Farn gerannt.«
    »Dann muß sie dabei aber einen zentnerschweren Felsblock geschleppt haben«, meinte Peter. »Schauen Sie sich bloß mal an, wie tief die Fußabdrücke sind.«
    »Viola ist ein kräftiges Mädchen, und sie trägt schwere Stiefel«, insistierte Winifred. »Aus diesen Fußabdrücken läßt sich leider nicht viel erkennen, hier liegen zu viele Kiefernnadeln. Aber sie sehen tatsächlich ein wenig unheimlich aus - sehen Sie, sie führen direkt zur Straße. Ach herrje.«  
    Die schwarzen Reifenspuren auf dem Straßenbelag erzählten ihre eigene Geschichte. »Jemand muß sie aus dem Wald gezerrt und in einem Auto weggefahren haben, aber warum bloß?«
    »Anrufen!« bellte Svenson.
    »Ja, die Polizei. Schnell!«
    Winifred begann, zurück zur Forschungsstation zu rennen. Diesmal war Peter schneller als sie, er war in seiner Jugend ein hervorragender Läufer gewesen und konnte auch heute noch einen ordentlichen Spurt einlegen, wenn es nötig war. Knapweed saß allein im Empfangsraum und war damit beschäftigt, sein Labkraut in eine Blumenpresse zu legen. Er schaute hoch und machte Anstalten, etwas zu sagen, doch Peter ignorierte ihn und eilte zum Telefon. Inzwischen kannte er die Nummer der Staatspolizei auswendig, und der Officer in der Zentrale erkannte sogar seine Stimme.
    »Was ist passiert, Professor Shandy?«
    »Ich befinde mich in der Forschungsstation des Balaclava College in der Whittington Road. Wir möchten eine junge Mitarbeiterin namens Viola Buddley als vermißt melden. Sie ist etwa ein Meter siebzig groß, kräftig, schätzungsweise

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