Eine Eule kommt selten allein
abholen, also bin ich hin und hab' es persönlich geholt. Wenn Sie wollen, können Sie jederzeit vorbeikommen und es sich ansehen.«
»Liebend gern. Wer hat die Sachen eingepackt?«
»Das hab' ich selbst übernommen. Mir ist nichts besonders Interessantes aufgefallen, aber man kann schließlich nie wissen.«
»Völlig richtig«, meinte Peter. »Besteht Grund zu der Hoffnung, daß Mrs. Freedom das Zimmer vielleicht noch nicht geputzt und aufgeräumt hat?«
»Das soll wohl 'n Witz sein! Sie ist die ganze Zeit hinter mir hergelaufen, den Staubsauger in der einen Hand und 'nen Eimer mit heißer Seifenlauge in der anderen, und hat mir die Hölle heiß gemacht, damit ich mich beeile, weil sie den Raum desinfizieren und ausräuchern wollte. Es ist mir zwar gelungen, unter das Bett und hinter die Kommode zu schauen, weil ich ihr erzählt hab', ich wollte auch ganz sichergehen, daß nichts von Emmericks Sachen zurückbleibt und die Luft verpestet, aber ich habe weder falsche Barte noch verräterische Briefe gefunden. Bloß einen dieser Kitschromane, über 'nen bösen Baronet mit 'nem schrecklichen Geheimnis und 'ne wunderschöne verwaiste Gouvernante, die in Wirklichkeit die Erbin eines Riesenvermögens ist, das ein Herzog ihr hinterlassen hat. Edmund hat ein oder zwei Seiten davon gefressen, als ich es hier auf der Wache hatte. Ihm ist speiübel davon geworden.«
»Mhmja«, meinte Peter. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen.«
Er blickte rasch hinüber zu Winifred Binks. Auch sie war Waise und seit frühester Jugend von einer strengen Tante erzogen worden. Sie hätte bestimmt eine treffliche Gouvernante abgegeben, und er zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie selbst den finstersten Baronet mit dem nötigen Raffinement und mit Selbstsicherheit behandelt hätte, wenn sich ihr diese Möglichkeit je geboten hätte. Wahrscheinlich hätte sie sogar wunderschön sein können, wenn sie es nur versucht hätte.
Die wahre Schönheit von Seele und Verstand besaß sie bereits, zudem verfügte sie über Unmengen von Geld. War es möglich, daß Emmericks plötzliches Ableben etwas mit einem eifersüchtigen Nebenbuhler zu tun hatte? Eigentlich recht unwahrscheinlich, aber man konnte schließlich nie wissen. Peter verabschiedete sich herzlich von der hypothetischen Sirene, nickte dem düsteren Knapweed kurz zu und machte sich auf, um die immer noch sichtlich verstörte Viola zu ihrer Drachenburg zu eskortieren.
Glücklicherweise residierte das in Bedrängnis geratene Burgfräulein im Nachbarort Lumpkin Corners, der mehr oder weniger auf Peters Heimweg lag. Er übergab sie wohlbehalten ihrer Pensionswirtin, stellte fest, daß er allmählich dem Hungertod nahe war, da er seit dem Frühstück nur ein Taglilienpollen-Muffin verzehrt hatte, und erörterte im stillen, ob er nicht vielleicht doch eine Kleinigkeit im >Plucked Chicken< zu sich nehmen sollte.
Nein, er wollte lieber warten, bis er zu Hause war. Er brauchte dringend ein Hemd, er sehnte sich nach der Geborgenheit seiner eigenen Küche, am meisten jedoch sehnte er sich nach Helen. Wie groß war daher seine Enttäuschung, als er Jane Austen allein zu Hause vorfand und den Zettel auf dem Küchentisch las, auf dem ihm mitgeteilt wurde, daß sich seine Gattin oben in der College-Bibliothek befand und für ihren Artikel recherchierte.
Einsam und verlassen machte sich Peter ein Salami-Sandwich, nahm sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und trug beides nach oben, um wenigstens etwas Gesellschaft zu haben, während er in ein dunkles braun-graues Flanellhemd schlüpfte, das seiner momentanen Stimmung entsprach, und einen dicken grauen Pullover überzog, um sich ein wenig aufzuwärmen. Inzwischen war es merklich kühler geworden. Dank seiner Ritterlichkeit war er ganz schön durchgefroren, und selbst die Heizung im Wagen hatte gegen seine Gänsehaut nicht viel ausrichten können. Er kritzelte ein Postskriptum auf Helens Zettel und teilte ihr mit, er sei im Kittchen, für den Fall, daß sie Lust bekäme, ihn mit einer heißen Suppe nebst Feile zu erfreuen, und machte sich auf den Weg zum Polizeirevier.
Officer Dorkin, den Peter nur als Budge kannte, aus der Zeit, als dieser noch ein kleiner Junge gewesen war, der den Rasen der Shandys gemäht hatte, war zwar momentan offiziell gar nicht im Dienst, wollte sich das Abenteuer aber auf keinen Fall entgehen lassen. Fred Ottermole und der große getigerte Kater Edmund, der eigentlich Miss Lomax gehörte und um die Ecke wohnte, aber
Weitere Kostenlose Bücher