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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sich, daß es hier mitnichten um Hummeln, sondern vielmehr um Kompottschalen ging. Aber selbst das sorgfältigste Durchstöbern von Emmericks Habseligkeiten förderte keinerlei weitere Hinweise darauf zutage, daß der Mann ein zwanghafter Kritzler von Kompottschalen gewesen war. Im großen und ganzen schien er kein sehr phantasievoller Männchenmaler gewesen zu sein, denn alles, was Peter sonst noch finden konnte, waren simple Vierecke, Rhomben und gleichschenklige Dreiecke, wie man sie bei einem Bauingenieur auch erwartete, selbst wenn er kein echter Bauingenieur war. Emmerick hatte sie sorgfältig aufgezeichnet und liebevoll ausgemalt, meist sogar mit einer anderen Farbe. So paßte das Gelb der Äpfel in der Schale durchaus ins Bild, vermutete Peter.
    Leider fand Peter nur einen roten und einen blauen Stift. Rot und Blau waren auch tatsächlich die Farben, die bei den Vierecken, Rhomben und Dreiecken am häufigsten benutzt worden waren, selbst wenn einige Bildchen rot und schwarz und ein oder zwei blau und schwarz ausgemalt waren. Emmerick hatte möglicherweise den schwarzen
    Stift zum Niederschreiben seiner Notizen mit auf die Eulenzählexpedition genommen. Es war jedoch recht unwahrscheinlich, daß er auch einen gelben Marker mitge-nommen hatte, es sei denn, er hatte ihn aus Versehen eingesteckt, in dem irrigen Glauben, es handle sich um eine Rolle Drops mit Zitronengeschmack.
    Peter durchsuchte alles, was Ottermole vom Gasthaus mitgebracht hatte, noch ein weiteres Mal, konnte jedoch keinen gelben Stift finden. Bei keiner der anderen Zeichnungen war diese Farbe benutzt worden. Man konnte daraus schließen, daß Emmerick die Schale mit den goldenen Äpfeln gemalt hatte, bevor er unter falschem Namen nach Balaclava gekommen war, ergo waren die goldenen Äpfel der eigentliche Grund für sein Kommen gewesen. Vielleicht traf diese Schlußfolgerung tatsächlich zu, vielleicht war sie aber auch völlig falsch. Es war dringend erforderlich, Emmericks wahre Identität aufzudecken, bevor man überhaupt anfing, irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen.
    Peter konnte über den Mann lediglich sagen, daß er in bezug auf Kleidung einen sehr teuren, wenn auch etwas extravaganten Geschmack und eine heimliche Leidenschaft für Drops gehabt hatte, obwohl sein Lieblingsgeschmack nicht etwa Zitrone, sondern der von Kräutern gewesen war. Peter förderte nicht weniger als achtzehn Rollen aus den diversen Taschen zutage, wobei die meisten angebrochen und mehr oder weniger leer waren. Emmerick hatte auch eine Flasche Bourbon besessen, ohne Zweifel aus medizinischen Gründen, was Peter wiederum gar nicht extravagant vorkam.
    Was seinen Wagen betraf, hatte Emmerick übrigens gelogen. Er war weder Eigentum der Meadowsweet Construction Company noch sein persönlicher Dienstwagen. Die gefundenen Dokumente enthüllten, daß er das Fahrzeug beim Happy-Wayfarer-Autover-leih drüben in Clavaton gemietet hatte, und zwar genau einen Tag, bevor er in der Forschungsstation aufgetaucht war.
    Wie Emmerick nach Clavaton gekommen war, ließ sich im nachhinein nur schwer herausfinden, Möglichkeiten gab es jedenfalls mehr als genug. Vielleicht war er per Flugzeug nach Boston oder zum Hartford-Springfield Airport gelangt und hatte von dort aus einen Bus oder ein Taxi genommen. Vielleicht hatte ihn ein gutgläubiger Autofahrer mitgenommen. Theoretisch hätte er sogar ein Motorrad mit Beiwagen für sein Gepäck stehlen können. Oder er hätte sich unbemerkt im Schutze der Dunkelheit von einem düsteren, einäugigen Komplizen mit einer häßlichen Narbe in einem Lastwagen herkutschieren lassen können. Oder man hatte ihn an einem langen Seil von einem Hubschrauber heruntergelassen. Er hätte in seinem kleinen roten Kanu den Connecticut River hochpaddeln und es danach huckepack zum Clavaclammer, dem einzigen befahrbaren Wasserweg in ganz Balaclava County, tragen können, aber das schien Peter nun doch ein wenig unwahrscheinlich.
    Der Autoverleiher hatte als Emmericks Wohnsitz New. York City eingetragen. Peter nahm an, daß die Staatspolizei neben den anderen Utensilien aus Emmericks Taschen auch seinen Führerschein sichergestellt hatte, bevor er im Krankenwagen abtranspor-tiert worden war. Vielleicht hatte man sogar seinen gelben Marker gefunden. Am besten, Ottermole ernannte Peter Shandy wieder einmal kurzerhand zu seinem
    Hilfssheriff, damit er befugt war, die Sachen abzuholen, denn es war sicher besser, sie gemeinsam mit den anderen Habseligkeiten

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