Eine ewige Liebe
einmal.
Immer noch nichts.
Ich hatte keineAhnung, wie so ein ganz normaler Schemen an die Sache herangehen würde. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, ich saß fest. Ich war kurz davor, auf alle Gedankenreisen zu pfeifen und mich zu Fuß auf denWeg zu machen.Wenn ich es bis zur R o ute 9 schaffen würde, könnte ich vielleicht als unsichtbarer Passagier auf einem Pick-up mitfahren.
Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, aber dann musste ich wieder anAmma denken. Ich wollte unbedingt zu ihr ins Haus, ich schmeckte die Sehnsucht auf der Zunge wie eine dicke Scheibe vonAmmas Schmorbraten. Ich vermisste sie und wünschte mir nichts sehnlicher, als ihr in dieArme zu fallen oder eine ihrer Standpauken über mich ergehen zu lassen oder ihre Schürzenbänder zu entknoten, so wie früher.
Noch während diese Gedanken in meinem Kopf kreisten, begannen meine Füße zu kribbeln. Ich blickte nach unten, aber da war nichts zu sehen. Ich fühlte mich wie eine Brausetablette, die jemand in ein GlasWasser geworfen hatte, denn alles um mich begann zu schäumen und zu zischen.
Und dann war ich weg.
Ich fand mich im unterirdischenTunnel wieder, direkt vor der Temporis Porta. Die uralteTür wirkte genauso einschüchternd auf mich wie vor Kurzem, als ich noch am Leben gewesen war, und ich war froh, dass ich sie auf meinemWeg nachWates Landing links liegen lassen konnte. Meine Füße kannten denWeg, selbst in der Dunkelheit.
Ich rannte nach Hause, ohne auch nur einziges Mal anzuhalten, betrat denVorratskeller und stieg dieTreppe hinauf zur Küche. Jetzt, wo mich weder Salz noch Zauberbeutel abhielten, stellten auch dieWände kein großes Problem mehr dar.
Es war wie bei einem der endlosen Diaabende der Schwestern, wenn ich beim hundertsten Foto eines Kreuzfahrtdampfers vor den Projektor trat und das Schiff plötzlich nicht mehr über den Ozean, sondern über mein T-Shirt kreuzte. Ungefähr so fühlte sich jetzt dieWand an; sie war nur eine Projektion, so unwirklich wie ein blasses Foto von längst vergangenen Urlaubsreisen.
Amma blickte nicht auf, als ich in die Küche trat. Zum ersten Mal knarzten die Holzdielen nicht unter meinen Schritten.Wie oft hatte ich mir das gewünscht – immer wenn ich versucht hatte, mich unterAmmasArgusaugen aus der Küche oder dem Haus zu schleichen. Dazu brauchte es normalerweise einWunder und selbst dann waren die Erfolgschancen äußerst gering.
Zu meinen Lebzeiten hätte ich ein paar Schemen-Tricks gut gebrauchen können. Jetzt dagegen würde ich alles dafür geben, mich bemerkbar machen zu können. Schon komisch, wie schnell Dinge sich ändern können. Heißt es nicht immer, dass man sich besser zweimal überlegen sollte, was man sich wünscht? MancheWünsche gingen schneller in Erfüllung, als einem lieb war.
Plötzlich konnte ich nicht weitergehen und schuld daran war der Duft aus dem Ofen.
Es roch einfach himmlisch – jedenfalls so, wie es meiner Vorstellung nach im Himmel duftete. Auch darüber hatte ich mir in letzter Zeit so meine Gedanken gemacht. Es war eine Mischung aus den beiden besten Gerüchen der We lt. Der erste war der unverkennbare Duft von langsam gegarter Schweineschulter mit Carolina Gold. Ich hätte Ammas berühmte goldene Senf-Barbecue-Soße überall erkannt – ganz zu schweigen von butterzartem Schweinefleisch, das bei der ersten Berührung mit der Gabel in hauchfeine Stücke zerfiel.
Der andere Geruch war der von Schokolade.Aber nicht von irgendeiner Schokolade – es war der einmalige Duft der cremigsten und dunkelsten Schokolade, die man sich vorstellen kann.Ammas Schokoladenkuchen, mein absoluter Favorit unter all ihren Leckereien. Der einzige Kuchen, den sie für keinenWettbewerb, keine bedürftige Familie und keinVolksfest derWelt machte, sondern nur für mich – und zwar immer dann, wenn ich Geburtstag hatte, ein gutes Zeugnis nach Hause brachte oder einfach einen miesenTag hatte.
Es war mein ganz spezieller Kuchen, genau wie die Zitronenbaisers OnkelAbners Spezialgebäck waren.
Ich ließ mich in den erstbesten Küchenstuhl sinken und vergrub mein Gesicht in den Händen. Der Kuchen war nicht zum Essen gedacht. Er war eine Gabe, ein Geschenk aus ihren Händen. Etwas, das sie nach Greenbrier mitnehmen und auf mein Grab stellen würde.
Bei derVorstellung, wie der frische Kuchen in der feuchten Erde neben dem kleinen Holzkreuz stand, drehte sich mir fast der Magen um.
Ich war nicht nur gestorben, schlimmer noch – fürAmma hatte ich einen
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