Eine ewige Liebe
zu Obidias’ Haus führte – das Familiengrab der Snows.Auf dieselbeArt waren noch viele weitere Punkte markiert, aber nur einer dieser Zugänge würde mich nachWaders Creek führen. Leider waren die Zielorte nicht benannt wie bei einerAutobahnausfahrt. Ich hatte keine Lust, eine böse Überraschung zu erleben, nur weil ich versehentlich eine falscheAnderwelt-Tür öffnete.
Womöglich kam man sogar noch glimpflich davon, wenn man hinterher Schlangen anstatt Finger hatte.
Es musste ein System dahinter geben. Ich wusste zwar nicht, was den Zugang hinter dem Snow’schen Familiengrab mit dem steinigenWeg verband, der mich zu ObidiasTrueblood geführt hatte, aber irgendeine Gemeinsamkeit musste es geben. Da hier in der Gegend alle miteinander verwandt waren, lag es nahe, die Blutlinie als gemeinsames Bindeglied zu sehen.
Das brachte mich zu der Frage, welches Grabmal im Garten des Immerwährenden Friedens etwas mit den Ahnen zu tun haben könnte. Wenn es einen Schnapsladen auf dem Friedhof gäbe oder wenn irgendwo ein Sarg voller Flaschen mit Onkel Abners Wild Turkey vergraben wäre oder wenn es hier früher einmal eine Bäckerei gegeben hätte, die für ihre Zitronenbaisers berühmt gewesen war – dann hätte ich den Zugang vermutlich auf Anhieb gefunden.
DaWaders Creek seinen eigenen Friedhof hatte, gab es hier nirgendwo eine Erinnerungsstätte für Ivy,Abner, Sulla oder Delilah.
Schließlich stieß ich auf ein rotes X hinter einem Gedenkstein, von dem meine Mutter gesagt hatte, es sei einer der ältesten auf dem ganzen Friedhof. Da wusste ich, dass ich auf der richtigen Spur war.
Ich faltete die Karte zusammen und beschloss, es auf einenVersuch ankommen zu lassen.
Minuten später stand ich vor einem weißen Obelisken aus Marmor.
Natürlich war auch hier dasWort GEHEILIGT in den zerbröckelnden geäderten Stein gemeißelt, direkt über einem gespenstisch aussehendenTotenschädel, der den Friedhofsbesucher aus leerenAugenhöhlen anstarrte. Ich habe nie verstanden, weshalb einige der ältesten Grabmale in Gatlin mit einem solchen gruseligen Schädel geschmückt waren.Aber jeder kannte dieses besondere Ehrenmal, auch wenn es ganz am Rand des Immerwährenden Friedens stand, wo sich ursprünglich die Mitte des früheren Friedhofs befunden hatte, lange bevor der neue Friedhof um den alten herum errichtet worden war.
Die Nadel der Konföderierten – so nannten die Leute in der Gegend von Gatlin den Obelisken, nicht wegen seiner spitz zulaufenden Form, sondern wegen der Damen, die ihn dort aufgestellt hatten. Katherine Cooper Sewell, die die örtliche Sektion derTöchter derAmerikanischen R evolution gegründet hatte – und das vermutlich unmittelbar nach der R evolution –, hatte vor ihremTod persönlich dafür gesorgt, dass die TAR genügend Geld für diesen Obelisken sammelte.
Sie war mit Samuel Sewell verheiratet gewesen, der wiederum Gründer und Besitzer der Palmetto-Brauerei war, der ersten Schnapsbrennerei in Gatlin County. Und Palmetto stellte nur ein einziges Produkt her.
WildTurkey.
»Ziemlich schlau«, sagte ich und ging auf die R ückseite des Obelisken, wo das gedrehte schmiedeeiserne Gitter sich schon bog und zerbröckelte. Ich weiß nicht, ob mir die betreffende Stelle in derWelt der Sterblichen aufgefallen wäre, aber hier in derAnderwelt war die Falltür, die die Schwelle markierte, klar und deutlich zu erkennen. Zwischen R eihen von steinernen Muscheln und Engeln war ein rechteckiger Umriss im Stein zu sehen.
Ich legte die Hand auf den glatten Stein und spürte, wie er unter dem Druck nachgab und aus dem Sonnenlicht in den Schatten kippte.
Ein Dutzend ausgetretener Steinstufen führte in dieTiefe. Unten angekommen, stand ich auf einem knirschenden Kiesweg. Ich bog um eine Ecke und sah in einiger Entfernung einen Lichtschein. Je näher ich kam, desto mehr roch es nach Sumpfgras und feuchten Zwergpalmen. Der Geruch war unverkennbar.
Hier war ich richtig.
Ich kam an eine windschiefe Holztür, die einen Spalt weit offen stand. Helles Licht strömte ungehindert hindurch, ebenso wie die heiße, stickige Luft, die immer heißer und stickiger wurde, je weiter ich dieTreppe auf der anderen Seite derTür hinaufstieg.
Waders Creek erwartete mich. Eine R eihe großer Zypressen verdeckte mir zwar die Sicht, aber ich wusste, es war da.Wenn ich dem schlammigenWeg folgte, würde er mich zuAmmas Elternhaus weit weg von daheim führen.
Ich kämpfte mich zwischen Zwergpalmen hindurch und entdeckte eine
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