Eine fast perfekte Lüge
bereits gesehen.
„Jonah? Was ist los?“
Er schluckte den Kloß herunter, der ihm im Hals steckte, und als er sich umdrehte, lächelte er. „Ach nichts, ich habe nur schlecht geträumt“, erwiderte er und streckte die Hand nach ihr aus. „Komm wieder ins Bett.“
Sie ging mit, obwohl sie ihm nicht glaubte. Sie ging mit, weil diesmal er derjenige war, der Vergessen suchte.
10. KAPITEL
M acie erwachte langsam und streckte sich träge. Die vergangene Nacht war unglaublich und erschreckend zugleich gewesen. Sie hatte sich wieder verliebt und war machtlos dagegen.
Als sie die Hand ausstreckte, merkte sie, dass das Bett neben ihr leer war. Enttäuscht öffnete sie die Augen, dann sah sie den Zettel auf dem Kopfkissen.
Beim Aufsetzen rutschte ihr das Laken bis zur Taille nach unten, sodass ihr Oberkörper entblößt war. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen, fuhr sich durch die zerzausten Haare und streckte dann mit einem tiefen zufriedenen Aufseufzen die Hand nach dem Zettel aus.
Ich hätte dich heute Morgen viel lieber geweckt, aber Carl French ist da. Komm runter, wenn du munter bist
.
Dann hatte es ihm also genauso wenig gefallen, allein aufzustehen, wie ihr, allein aufzuwachen. Sie drückte den Zettel kurz an die Lippen, dann hüpfte sie aus dem Bett und beeilte sich, unter die Dusche zu kommen und sich anzuziehen. Falls sie sich richtig erinnerte, war Carl French nicht nur Jonahs bester Freund, sondern auch sein Kollege. Hoffentlich war es ein gutes Zeichen, dass er gekommen war. Vielleicht hatte sich ja etwas Neues ergeben. Lieber Gott, bitte mach, dass es so ist.
Sie nahm eine weiße Hose und ein blassrosa T-Shirt aus dem Schrank und zog sich an, ohne dabei ständig in den Spiegel zu schauen, wie Felicity es getan hätte. Nachdem sie sich ihr Haar zurückgekämmt und mit einer Schildpattspange im Nacken zusammengenommen hatte, schlüpfte sie in ein Paar flache silberne Riemchensandaletten und lief nach unten.
Im Foyer war Rosa eben dabei, die Möbel abzustauben. Als sie Macies Schritte hörte, drehte sie sich lächelnd um. „Guten Morgen, Miss Macie. Möchten Sie Frühstück?“
„Nur ein bisschen Kaffee und Toast, bitte.“
„Soll ich im Esszimmer den Tisch decken?“
Macie schüttelte den Kopf. „Nein. Würden Sie es bitte in die Bibliothek bringen?“
Rosa nickte, dann zögerte sie einen Moment, bevor sie sagte: „Darf ich Sie etwas fragen, Miss Macie?“
„Natürlich.“
„Der
niño
… Mr. Evan … gibt es schon irgendeine Spur von ihm?“
„Das versuche ich eben in Erfahrung zu bringen. Ich werde Ihnen sofort berichten, falls es irgendwelche guten Nachrichten gibt.“
„Danke, Miss Macie. Er ist so ein lieber, starker Junge. Ganz der Vater, glaube ich.“
Als Rosas Blick abschweifte und die Haushälterin gleich darauf ohne ein weiteres Wort davoneilte, wusste Macie, dass Jonah hinter ihr stand. Sie versuchte, nicht auf das nervöse Kribbeln in ihrem Bauch zu achten, und drehte sich zu ihm um.
Sein Gesichtsausdruck verriet nichts, bis sie ihm in die Augen schaute. Jetzt konnte sie aufatmen. „Jonah?“
Er schob ihr eine Hand unters Haar und drückte zärtlich ihren Nacken.
„Es tut mir Leid“, sagte er leise.
„Was?“
„Dass ich dich allein lassen musste.“
Sie merkte, dass sie einfach nicht wusste, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen und ihm gesagt, dass die vergangene Nacht die schönste ihres Lebens gewesen war und dass sie sich hoffnungslos in ihn verliebt hatte. Aber das wagte sie nicht, deshalb sagte sie nichts und lächelte nur ein wenig bemüht.
„Danke, dass du gekommen bist“, fuhr er fort.
Aber das waren nicht die Worte, nach denen Macie sich sehnte. Er verhielt sich so förmlich, dass es fast verletzend war. Offensichtlich hatte er ihr letzte Nacht nur einen Wunsch erfüllt, nicht mehr. Nun, wenn er es so wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als sein Spiel mitzumachen.
„Anscheinend hast du mich schon gesucht. Carl French ist angekommen? Und? Hat er gute Nachrichten mitgebracht?“
Jonah runzelte die Stirn. Warum zum Teufel war sie so förmlich? Das gefiel ihm nicht, es gefiel ihm ganz und gar nicht. Er wollte nicht, dass sie so höflich distanziert war. Er wollte sie so, wie sie letzte Nacht gewesen war, brennend vor Leidenschaft und voller Hingabe. Aber all das war im Moment offenbar nebensächlich.
„Ja, er ist hier. Was hältst du davon, wenn ich dich vorstelle?“
Macie
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