Eine fast perfekte Lüge
gesellte er sich zu Carl und Ruger, die bereits an dem Besprechungstisch saßen und auf ihn warteten.
„Was dauert denn da so lange?“ stichelte Carl grinsend.
„Halt einfach die Klappe, okay?“ brummte Jonah, dann fuhr er an Ruger gewandt fort: „Was wissen wir über den Gärtner?“
„Was denn für ein Gärtner?“ mischte sich Carl ein. „Hör zu, ich möchte, dass du dir diese Liste mit den Besitztümern ansiehst – vielleicht kommt dir ja irgendwas bekannt vor.“
Ruger hätte Jonah gern gesagt, dass er sich aus der Geschichte heraushalten sollte, weil sie mit ihrer Arbeit auch ohne ihn zurechtkämen, aber so einfach war das leider nicht. In Wahrheit kamen sie eben nicht besonders gut klar. Ganz und gar nicht. Genau gesagt traten sie schon seit geraumer Zeit auf der Stelle.
„Wir wissen, dass er nicht Felipe Sosa heißt, obwohl er in Sosas Wohnung wohnt“, beantwortete Ruger Jonahs Frage. „Er kommt morgens zur Arbeit und geht abends nach Hause. Das Telefon benutzt er nur, um sich Essen zu bestellen. Wir könnten ihn festnehmen, aber damit würden wir womöglich nur schlafende Hunde wecken.“
„Dreckskerl“, sagte Jonah.
„He!“ mischte sich Carl wieder ein.
Beide Männer schauten ihn an.
„Ich wiederhole – welcher Gärtner?“
Jonah schob die Hände in die Hosentaschen. „Einer von Calderones Männern. Er ist im Moment da draußen im Garten und schneidet die gottverdammten Rosen. Wahrscheinlich lacht er sich hinter unserem Rücken ins Fäustchen und hält sich für unschlagbar, weil er es schafft, uns an der Nase herumzuführen. Ich verwette meinen Kopf, dass er die Killer reingelassen hat, aber wir können es nicht beweisen. Und Ruger hat Recht. Wenn wir ihn hochnehmen, wissen wir nicht, was passiert.“ Dann schaute er Ruger scharf an. „Sie lassen ihn doch noch beschatten, oder?“
Der Angesprochene nickte. „Rund um die Uhr.“
„Und Sie sagen mir Bescheid, wenn …“
Der Agent unterdrückte ein Aufseufzen. „Ja.“
Rugers gönnerhafter Ton ärgerte Jonah, was er auch nicht verhehlte. „Ich weiß, dass ich Ihnen auf die Nerven gehe, aber für mich steht weitaus mehr auf dem Spiel als für Sie. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn die erste Begegnung mit meinem Sohn nicht in einem Bestattungsinstitut stattfände. Deshalb lassen Sie uns unsere Meinungsverschiedenheiten begraben und endlich vernünftig werden. Wenn ich Ihnen eine Frage stelle, erwarte ich nur eine offene Antwort, nicht mehr und nicht weniger. Falls Sie mich brauchen, rufen Sie mich auf meinem Handy an. Ich fahre mit Macie ins Krankenhaus zu ihrem Vater.“
Nach diesen Worten nickte er Carl zu, dann ging er eilig zur Tür.
„Nehmen Sie Sugarman und Carter mit“, rief Ruger ihm hinterher.
Jonah machte sich nicht die Mühe zu antworten, sondern ging einfach weiter. Er hatte ein beklemmendes Gefühl in der Brust, und er fürchtete, bald den Verstand zu verlieren. Er konnte es kaum ertragen, sich im Hintergrund zu halten und es anderen zu überlassen, seine Welt wieder ins Lot zu bringen. Ständig musste er an Evan denken und wünschte sich, ihn schon früher gekannt zu haben, wünschte sich, ihm irgendwie sagen zu können, dass er nicht allein war.
Halt durch, Junge … halt durch. Ich schwöre bei Gott, dass ich alles tun werde, um dich zu finden
.
Carl blickte seinem Freund nachdenklich hinterher. „Sie haben ihn verärgert“, sagte er zu Ruger.
Der Agent zuckte mit den Schultern. „Er ist ein wandelnder Sprengsatz. Es gefällt mir nicht, dass er all diese Informationen bekommt. Schließlich kann man ihn nicht mit irgendeinem normalen Vater vergleichen, dessen Kind entführt wurde. Wenn er durchdreht, kann er uns die gesamte Rettungsaktion vermasseln.“
„Ja, wissen Sie denn, wo der Junge ist?“ fragte Carl verblüfft. „Planen Sie eine Rettungsaktion?“
Ruger wand sich unbehaglich. „Na ja, nein, das nicht, aber …“
„Dann kann ja wohl kaum die Rede davon sein, dass irgendjemand irgendetwas vermasseln könnte, oder?“
Ruger seufzte. „Die Firma hält prinzipiell immer zusammen, was?“
Carl grinste und zuckte mit den Schultern. „Seid Ihr Feds denn so anders?“
Ruger zögerte, dann lachte er leise auf. „Nein, wahrscheinlich nicht.“
„Dann haben Sie ein bisschen Nachsicht mit dem armen Mann.“
„Ich werde mir Mühe geben“, gab der Agent zurück, streckte die Hand nach seiner Tasse aus und schüttete den Rest des Kaffees hinunter. „Verdammt, ich hasse
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