Eine fast perfekte Lüge
registrierte, dass er ihre zweite Frage nicht beantwortet hatte. Na schön, dann würde sie den Mann eben selbst fragen.
„Sicher, warum nicht?“
„Er ist gerade bei Ruger drin“, sagte Jonah.
Als Macie sich anschickte, auf das Arbeitszimmer ihres Vaters zuzugehen, streckte Jonah spontan den Arm aus und hielt sie fest. „Was zum Teufel ist eigentlich …“
Den Rest seiner Frage bekam Macie nicht mehr zu hören, weil Jonah sie kurz entschlossen küsste.
Es war herrlich, diesen Mund wieder hart und fordernd auf ihrem zu spüren. Sie wollte gerade vor Lust aufstöhnen, als er sie losließ.
„Nur damit du Bescheid weißt und es nicht vergisst“, sagte er sanft.
Macie berührte mit zwei Fingern ihre Lippen. Sie waren leicht feucht und zitterten ein wenig. Sie waren weder heiß noch geschwollen, aber es fühlte sich trotzdem an, als ob er ihr sein Zeichen eingebrannt hätte. „Vergessen werde ich es bestimmt nicht“, sagte sie. „Aber worüber soll ich Bescheid wissen?“
Jonah öffnete den Mund, um zu antworten, aber dann tat er es doch nicht. Eine kleine Weile schwiegen beide.
„Jonah?“ fragte sie schließlich.
Er seufzte. „Egal. Wenn es dir bis jetzt noch nicht aufgefallen ist, hat es wenig Sinn, es dir zu sagen.“
Nach diesen kryptischen Worten zog er sie am Arm in das Arbeitszimmer ihres Vaters, um ihr Carl French vorzustellen. Sie entdeckte den Fremden sofort und war überrascht über die freundliche Offenheit, mit der er ihr begegnete.
„He, ich habe mich schon gefragt, wo du abgeblieben bist“, sagte Carl zu Jonah, dann griff er nach Macies Hand und schüttelte sie, bevor sie dazu kam, sie ihm hinzustrecken. „Miss Blaine, nehme ich an. Ich bin Carl French.“ Dann fügte er hinzu: „Mein aufrichtiges Beileid.“
Macie betrachtete ihn einen Augenblick und nickte dann. Obwohl sie sich normalerweise kein vorschnelles Urteil über Menschen bildete, fand sie ihn auf Anhieb sympathisch. Er war so anders als die CIA-Agenten in ihrer Vorstellungswelt, aber wahrscheinlich hatte sie einfach nur zu viele Filme gesehen, die ihr ein anderes Bild vermittelt hatten. CIA-Agenten waren eben auch Menschen, nur dass sie im Unterschied zum Normalbürger über ein paar Überlebenstechniken mehr verfügten. Doch als sie in Frenchs Augen schaute, entdeckte sie dort etwas, das auch sein offenes Lachen und das bereitwillig aufblitzende Lächeln nur unzureichend verschleiern konnte. Die kurze Verunsicherung, die sie verspürte, schob sie darauf, dass sie nicht an den Umgang mit Leuten gewöhnt war, die vorgaben, jemand anders zu sein als der, der sie in Wirklichkeit waren. Und dass sie Jonah gegenüber nicht dasselbe verspürte, lag wahrscheinlich einzig und allein daran, dass sie ihn schon gekannt hatte, bevor er ein CIA-Agent gewesen war.
Carl war stämmig und untersetzt und nicht viel größer als Macie. Er trug eine Nickelbrille und hatte dichte, millimeterkurz geschnittene blonde Haare. Und wie fast jeder hier im Raum telefonierte er zwischendurch immer wieder auf seinem Handy.
Macie machte noch einen Schritt auf ihn zu und senkte ihre Stimme gerade weit genug, um ihre Frage vertraulich klingen zu lassen. „Wissen Sie schon mehr über die Entführung meines Neffen, Agent French?“
„Bitte, nennen Sie mich Carl. Nein, mit Neuigkeiten kann ich leider nicht dienen. Das Einzige, was ich mitgebracht habe, ist eine Aufstellung von Calderones Besitztümern in Kalifornien. Wir sind gerade dabei, sie zu überprüfen.“
„Besitztümer?“ fragte Macie verständnislos.
Jonah legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Er muss Evan irgendwo gefangen halten, und dafür könnte sich unter Umständen ein Firmengelände oder eine Lagerhalle eignen. Wenn wir die nahe liegendsten Örtlichkeiten ausschließen können, wäre das zumindest ein Anfang.“
„Aber woher wissen wir, dass Evan überhaupt noch in Kalifornien ist? Er könnte doch überall sein, oder?“
Carl blieb eine Antwort erspart, da Ruger ihn ans Telefon holte.
„Bitte, entschuldigen Sie mich“, sagte er und beeilte sich, ans andere Ende des Raumes zu kommen.
Macie drehte sich zu Jonah um. „Was weißt du, was ich nicht weiß?“
Er zuckte mit den Schultern. „Nicht viel, und ich weiß es nur, weil ich schon länger auf bin als du.“
„Was soll das heißen?“
„Carl hat ein paar Informationen mitgebracht, die wir vorher nicht hatten.“
„Aha. Und welche sind das?“
„In Calderones Organisation geht es zurzeit ziemlich unruhig
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