Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn
noch einen Job, oder nicht?«
»Sei nicht so blöd – ich meine die Teerunde.«
Aha: die abstinente Teerunde. »Dann bist du wohl Jenkins.«
»Genau, und
du hast mir meinen Job geklaut
.«
Was war das nur, dass es auf Baustellen immer Schlägereien gab? Erst Reid, und dieser kleine Idiot war auch eindeutig auf Prügel aus. Sie kehrte ihm den Rücken zu und fegte weiter. Er ging um sie herum und brüllte: »Hältst du dich für zu gut, um mit mir zu reden?«
»Nein.«
»Also, was hast du dazu zu sagen?«
»Nichts.«
»Nichts außer Lügen.«
Es gab nur eine Möglichkeit, das zu beenden. Sie sah ihn direkt an und fragte: »Du nennst mich einen Lügner?«
»Einen Lügner und einen Dieb!«
Sie schnaubte verächtlich. Wenn er sich prügeln wollte, bitte. Und sie würde siegen. Ihre Jahre auf der Straße hatten sie zumindest das gelehrt. »So was Blödes …«
»Nenn mich nicht auch noch blöd!« Starr vor Wutkam er auf sie zu. Er war ein kleiner Junge, nicht größer als sie und dazu noch dürr, und er sah total lächerlich aus – ein Zwerghahn, der seinen Misthaufen verteidigte. Sie vermutete, dass er noch nie im Leben eine Prügelei gewonnen hatte. Dennoch warf er sich mit Armen, die wie Windmühlenflügel kreisten, auf sie.
Mary wich seiner Faust mit einer gelassenen Bewegung nach links aus und schlug ihm kurz aufs Kinn, sodass er taumelte.
Er konnte sich gerade noch fangen, fuhr herum und ging erneut auf sie los.
Sie sprang zur Seite und er wurde von seinem eigenen Schwung umgeworfen.
Vor Wut schrie er auf und stürzte sich erneut auf sie.
Es war kein richtiger Wettkampf. Mary verteidigte sich nur und hielt ihn auf Abstand, bis ihm die Puste ausgehen würde. Ihre Zurückhaltung machte Jenkins nur noch wütender. Er kämpfte verbissen und vehement, doch ohne jegliches Geschick, und das alles zusammen machte diese Situation, die komisch hätte wirken können, eher tragisch. Wenn Mary gewollt hätte, hätte sie ihn in einer halben Minute erledigen können. Stattdessen zog sich ihre Prügelei hin, und um sie bildete sich ein johlender Kreis von Bauarbeitern, die sich zu gleichen Teilen mit Ratschlägen und Beleidigungen einmischten.
Schließlich durchschnitt eine Stimme den Lärm. »WAS geht hier eigentlich vor? Hört sofort auf damit!«
Mary sah zu dem Neuankömmling hinüber – Harkness, der Bauleiter –, und in dem Moment konnte Jenkins ihr den einzigen Treffer versetzen, ein seltsam zufälliger Haken, sodass ihr das Blut aus der Nase spritzte. Sie rang überrascht nach Luft und war verärgert. Bei Straßenkämpfen gab es natürlich keine Regeln, aber das war trotzdem extrem hinterhältig gewesen. Sie fuhr herum, erwischte ihn an der Schulter und versetzte ihm einen heftigen Hieb, der ihre Knöchel und wahrscheinlich auch Jenkins’ Kopf schmerzen ließ.
»Aufhören, SOFORT!«
Schließlich traten zwei Männer vor und machten sich halbherzig daran, die beiden Kampfhähne zu trennen. Aber das war schon nicht mehr nötig. Mary stand unbeweglich da. Das Blut aus ihrer Nase tropfte ungehindert auf den Boden. Jenkins wand sich stumm und hielt sich den Kopf.
»Was zum Teufel ist hier los?« Harkness ließ seinen finsteren Blick von Jenkins zu Mary und wieder zu rück gleiten.
Keiner der beiden sagte etwas.
»Quinn! Raus damit!«
Was konnte sie schon sagen? »Jenkins und ich haben uns geprügelt, Sir.«
Aus dem Kreis der Umstehenden kam grollendes Gelächter.
Harkness’ Stirn färbte sich rötlich. »Ihr anderen, verschwindet! Zurück an die Arbeit!« Während sich die Männer glucksend zurückzogen, wandte sichHarkness wieder Mary zu. »WARUM habt ihr euch geprügelt?«
»Er hat mich Lügner und Dieb genannt, Sir, und ich hab gesagt, er sei blöd.«
»Aha. Und wer hat mit diesen Kindereien angefangen?«
Mary warf Jenkins einen Blick zu. Er hielt sich immer noch das Gesicht und schien die Tränen zurückzuhalten. Schließlich brachte er schluchzend hervor: »Ich, Sir.«
Harkness starrte beide eine Weile an und der Muskel unter seinem Auge zuckte wiederholt. »Ich bin von euch beiden sehr enttäuscht. Ich hab was Besseres von dir erwartet, Jenkins, weil du seit zwei Jahren auf dieser Baustelle arbeitest. Und von dir ganz besonders, Quinn, weil …«
Während Harkness lamentierte, fragte sich Mary, ob er wohl nach der tieferen Ursache dieser Auseinandersetzung fragen würde. Was war an der Teerunde so besonders? Warum war Jenkins deswegen so sauer auf sie? Außerdem
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