Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
Vom Netzwerk:
abschütteln ging natürlich nicht – sie würde sich schon ein bisschen anstrengen müssen. Aber sie war dazu in der Lage. Und er fragte sich, ob sie es wohl tun würde.
    Die Sonne war fast untergegangen, als er seine Antwort erhielt. Er fühlte sie, bevor er sie sah, spürte ihre wütende Energie. Doch sie war gekommen.
    Als sie nah genug war, öffnete er die Augen. Mit großen Schritten und grimmigem Gesicht kam sie auf ihn zu.
    »Wie kannst du es wagen!«, fauchte sie, als sie ihn fast erreicht hatte. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass sie ihm, hätte er vor ihr gestanden, wahrscheinlich einen Fausthieb versetzt hätte. Stattdessen zog sie ihm nun ihre geflochtene Strohtasche über den Schädel.
    »Aua!« Es tat weh, kam aber so unerwartet, dass er beinahe gelacht hätte.
    »Du hast einen Zauber auf mich angewandt!«, fuhr sie ihn wütend an. »Noch vor einer Woche hast du Daedalus zusammengeschlagen, als er dasselbe mit dir gemacht hat! Du Heuchler!« Sie versetzte ihm einen Tritt, doch da sie perlenbesetzte Ballerinas mit weichen Sohlen trug, tat es ihr wahrscheinlich mehr weh als ihm.
    Schnell stand er auf und hob die Hände. »Ja, ja«, sagte er leise. »Tut mir leid. Du hast recht. Es war eine schreckliche Sache …«
    » Eine weitere schreckliche Sache«, sagte sie, und ihre grünen Augen wurden schmal. »Du scheinst sie eine nach der anderen aus dem Ärmel zu ziehen, was?«
    »Es tut mir leid«, sagte Luc erneut. »Ich war verzweifelt. Ich musste dich sehen, mit dir reden. Es tut mir leid, dass ich dafür einen Zauber angewandt habe, aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Clio, bitte, bitte setz dich her und rede kurz mit mir. Bitte.«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Der Ansatz ihrer Brüste wurde aus dem olivgrünen Miedertop gepresst. Ein paar Synapsen in Lucs Gehirn drohten durchzubrennen, doch er erstickte seine Begierde im Ansatz.
    »Du hast eine Minute«, sagte Clio, ihre Stimme so kalt wie ein arktischer Wind.
    »Okay, gut.« Luc fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er hatte seine Rede unzählige Male geübt, doch Clio zu sehen ließ alle seine Gedanken außer Kontrolle geraten, wie immer. »Ich … vermisse dich.«
    Clios Oberlippe verzog sich zu einem spöttischen Grinsen.
    »Clio … ich hab’s vermasselt. Es tut mir leid. Ich habe dir und Thais wehgetan und ganz bestimmt nicht das Recht, euch um Vergebung zu bitten. Denn es ist durch nichts zu entschuldigen.«
    Sie widersprach nicht.
    »Aber ich vermisse dich«, zwang er sich zu sagen. Nicht, dass es nicht wahr gewesen wäre, oh doch. Aber er hasste es, sich so entblößt zu fühlen. »Ich bin … kein schlechter Mensch. Ich bin nur jemand, der schon zu lange existiert, zu viel gesehen, zu viel getan hat.« Er schüttelte den Kopf, fühlte sich innerlich leer. »Du hast es geschafft, dass ich mich wieder gefühlt habe, als … als wäre alles neu. Neu und aufregend, weil ich es mit dir geteilt habe. Du hast Leben in meine Welt gebracht. Und das habe ich zerstört.«
    Clio wartete.
    »Die letzten 250 Jahre wollte ich nichts anderes, als dass die Zeit schnell vergeht, dass sie sich beeilt, falls ich die Chance erhalten sollte, zu sterben. Als Daedalus auf mich zugekommen ist, sagte er, ich könne die Kraft des Ritus einsetzen, wie ich wollte. Ich könnte noch mehr Macht erlangen, die Richtung meiner Magie ändern – oder sterben. Und ich wollte sterben, dieses sinnlose, endlose Dasein ein für alle Mal beenden.« Er blickte auf. Clio wirkte ruhiger und musterte ihn mit wachem Interesse. Er spürte Hoffnung in sich aufkeimen.
    »Dann habe ich dich getroffen, Du hast meine Welt, mein Fühlen verändert. Unverzeihlicherweise habe ich das zerstört. Als ich Thais getroffen habe, war es, als … als wäre sie der Teil von dir, den du zurückhältst. Und du der Teil, den sie nicht in sich befreit. Ich habe nicht nachgedacht, meinen Kopf nicht benutzt. Mein Herz hat mir einfach nur befohlen, dich mit allen deinen Eigenschaften zu erfahren, das ist alles.«
    Ihre grünen Augen verengten sich. Nicht gut.
    Er zuckte die Schultern, wieder jeglicher Hoffnung beraubt. »Es tut mir leid. Ich habe gesagt, dass es eine Dummheit war, und so meine ich es auch. Ich war überwältigt, das Ganze ein paar Nummern zu groß für mich, und ich habe einen riesigen Fehler gemacht, der dich verletzt hat. Du hast gesagt, du willst mich nie wiedersehen. Und wärst es nicht du, Clio, ich würde dich beim Wort nehmen und gehen, dich nie wieder

Weitere Kostenlose Bücher