Eine feine Gesellschaft
ihr ein Buch in die Hand.
»Habe es nicht eingepackt«, sagte er. »Ich wünsche noch viele glückliche Hochzeiten.«
81
»Meinen Sie nicht: Herzlichen Glückwunsch?« fragte eine der Sekretärinnen kichernd.
»Ich meine, was ich sage. Sie fängt zwar spät damit an, aber wer weiß, vielleicht findet sie Gefallen daran und macht weiter. Man kann nie wissen. Bitte schön, egal wie.« Kate nahm erfreut ein altes Buch entgegen, auf dessen Umschlag der häufige Gebrauch keine Spuren mehr von Autor und Titel übriggelassen hatte. Sie klappte daher die Titelseite auf. ›The Mountain Lovers‹, las sie – von Fiona Macleod. »War keine leichte Entscheidung«, sagte er, »schließlich ist es Ihre erste Ehe. ›The Immoral Hour‹, ›The Divine Adventure‹
oder gar, was ich nicht hoffe, ›The Dominion‹ wäre ja vielleicht genauso passend gewesen. Haben Sie sich jemals auf einem Berg geliebt?«
Vor der Beantwortung dieser peinlichen Frage, auf die es um der Wahrheit willen nur ein Ja hätte geben können, um der Gefühle der Anwesenden willen aber nur ein Nein und um der Schicklichkeit willen nur, wie ihre Mutter zu sagen pflegte, ein moue, einen mißbilligend verzogenen Mund, wurde sie glücklicherweise bewahrt. (Ich hätte womöglich, meinte sie später zu Reed, ein mißbilligendes moue versucht, und es wäre mir mißglückt. Was für ein schrecklicher Gedanke.) Jeremiah Cudlipp hatte den Raum betreten und verkündete mit derartiger Stentorstimme, einen schrecklichen Tag hinter sich zu haben, daß alle Gespräche verstummten. So konnte Kate nur Professor Pollingers Hand nehmen und diese mit aller Zuneigung und Dankbarkeit, die sie empfand, schütteln.
Der Raum war nun ziemlich voll, und fast alle von Kates Kollegen hatten die Zeit gehabt, ein paar Worte mit Reed zu wechseln. Als stellvertretender Bezirksstaatsanwalt hatte er zweifellos schon schlimmere Prüfungen durchstehen müssen, aber sehr leicht konnte die hier für ihn auch nicht sein, und als Kate seine große, schlanke Gestalt am anderen Ende des Raumes so locker und entspannt daste-hen sah, überfiel sie plötzlich ein heftiges Gefühl der Zuneigung.
Seltsam, daß sie ihn erst in einem Raum voller Akademiker betrachten mußte, um zu begreifen, worin seine besondere Anziehungskraft lag: Er war lebhaft, ohne angespannt zu wirken, war sicher, ohne anmaßend, und selbstbewußt, ohne wichtigtuerisch zu erscheinen.
Sie war überzeugt, daß er die ganze Sache amüsant fand, und vor allem freute sie zu sehen, wie er auf Emilia Airhart zuging – die natürlich vermeiden wollte, ihn prüfend zu betrachten – und sie in ein Gespräch verwickelte. Die beiden schienen sich zu mögen. In 82
dieses tête-à-tête platzte Jeremiah Cudlipp.
Bevor Kate sich auch nur ausmalen konnte, was bei solch einem Trio wohl herauskommen würde, stand Cartier vor ihr. Er schien seine Anwesenheit als ausreichenden Kommentar zu Kates Ehestand zu begreifen und begann sofort eine Diskussion über Universitäts-probleme, obwohl das erst nach einiger Zeit klar wurde. »Was meinen Sie?« fragte er. »Wird alles gutgehen? Fühlen Sie sich zur Frust-ration verdammt, oder sehen Sie ein wenig optimistisch in die Zukunft?«
»Also…«
»Die Sitzung des Englischen Seminars schien mir weit hoff-nungsvoller, als ich für möglich gehalten hatte; gleichzeitig…«
»Daß O’Toole Dekan werden soll, ist aber kein gutes Zeichen«, riß Kate sich zusammen.
»Sehr deprimierend«, sagte Cartier. »Alsdann, prost«, fügte er zusammenhanglos hinzu und zog sich zurück, als Mark Everglade näher kam.
»Ich mag Ihren Reed Amhearst«, sagte er. »Ich hielt es nur für fair, ihm zu gestehen, daß wir beide in jüngster Vergangenheit in einem Fahrstuhl miteinander festgesessen haben, und er gratulierte mir zu der angenehmen Gesellschaft unter diesen schwierigen Um-ständen. Er ist der erste Anwalt, der mir gefällt, ehrlich gesagt. Ich frage mich, welche Haltung die juristische Fakultät einnimmt in der Frage des University College.«
»Die Frage kann ich, glaube ich, beantworten«, sagte Kate. »Sie werden sich dafür einsetzen, teils, weil sie das Gebaren der Uni-Professorenriege nicht mögen, aber hauptsächlich, weil ihre Sekretä-
rinnen nur bei ihnen arbeiten, um für das University College nicht bezahlen zu müssen; kein University College, keine Sekretärinnen.
Dasselbe gilt für die Verwaltungsrechtler und wahrscheinlich noch ein paar andere.«
»Es ist wirklich erstaunlich«,
Weitere Kostenlose Bücher