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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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nutzte ihn, um, den Aufzug immer noch meidend, die Treppen hinabzulaufen und Baldwin Hall zu verlassen. Draußen begegne-te ihr Polly Spence.
    »Ich war gerade auf dem Weg zu dir«, sagte Polly Spence.
    »Weißt du schon das Neueste aus dem Linguistischen Seminar?«
    »Das Vernersche Phänomen ist widerlegt worden«, riet Kate.
    »Sie haben entdeckt, daß das lange E nie eine Lautverschiebung durchgemacht hat.«
    »Es ist fast so verblüffend. Sie feuern den einzigen Experten, den sie für die englische Sprache haben, weil sie ihm sonst eine Professur geben müßten, und das, weil er vom University College kommt.«
    »Die Worte sind mir sehr vertraut«, sagte Kate, »und ich glaube, ich erkenne auch die Melodie.«
    »Was bedeutet«, fuhr Polly fort, »was tatsächlich bedeutet, daß die Linguisten nun einen Experten für Chinesisch haben, aber keinen für Englisch – kannst du dir das vorstellen?«
    »So seltsam es klingt, aber ich kann«, sagte Kate. »Wer stellt sich denn gegen die Beförderung von Leuten aus dem University College? Hast du da etwas gehört?«
    »Ich bin natürlich nur eine kleine Assistentin, und deswegen sind meine Informationen nie aus erster Hand, aber es heißt allgemein, daß die Uniprofessoren dagegen seien und vor allem der neue Dekan, der am Himmel dräut, wenn auch noch namenlos.«
    »Ich glaube«, sagte Kate, »ich könnte ihm einen Namen geben.
    Polly, du hast mir was gesagt, was kein Lunch im ›Cosmo‹ heilen kann. Grüße mir Winthrop, und ich bestelle dafür Reed Grüße von dir.«
    »Wer ist Reed?« rief Polly Spence.
    »Mein Mann, mehr oder weniger«, rief Kate und ließ Polly sprachlos und mit offenem Mund auf den Stufen zu Baldwin Hall stehen.
    77

    ZWEITER TEIL

    Der Tod und danach

    Wahrheit war ihr Entwurf, als sie eine Welt des Bleibenden bauen wollten, an die sie glauben konnten, ohne tönernen Dingen zu vertrauen und Legenden,
    dem Überkommenen und Liedern, ob wahr oder nicht: Die Wahrheit selbst stand für das Wahre.

    78

Sechs

    Ich schaue hinauf zu den Sternen und weiß Ihnen ist gleich, ob ich zur Hölle jähre Aber auf Erden ist Gleichgültigkeit das Geringste Was wir von Mensch oder Tier zu fürchten haben.

    Die Neuigkeit, daß Kate sich einen Ehemann zulegen würde, diente, während das Wintersemester in Gang kam, als Vorwand für ein Bacchanal. Soll heißen, daß die drei Sekretärinnen am Englischen Seminar, fest überzeugt, daß Heirat wichtiger ist als Revolution, eine Party am Institut organisierten. Kate und Reed waren die Ehrengäste, und jeder der Eingeladenen sollte kommen und etwas beisteuern. Man kann seine Kollegen beleidigen oder auch die Verwaltung oder das Präsidium, aber Sekretärinnen kränkt man nicht.
    »Du«, sagte Kate zu Reed, »bist meine größte Leistung. Ich habe die Apotheose der Weiblichkeit erreicht. Ich habe meinen Doktor gemacht, ziemlich gut unterrichtet, Bücher geschrieben, Reisen gemacht, bin Freundin und Geliebte gewesen – das alles sind nur Ausflüchte vor der mir bestimmten Rolle im Leben: einen Mann zum Altar zu führen. Du bist das Opfer, das ich der Göttin der bürgerli-chen Moral darbringe, so wie Iphigenie Agamemnons Opfer an Artemis war. Gruselst du dich vor der Party?«
    »Ich werde mich irrsinnig amüsieren. Aber ich habe gar nicht gewußt, daß das Opfer auch noch Spaß hat, wenn es zur Schlacht-bank geführt wird. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so ruchlos glücklich gewesen zu sein.«
    »Was bloß beweist, daß sogar der gescheiteste Mann zum Spiel-ball der Götter werden kann. Es gibt Augenblicke, Reed, da frage ich mich, ob du weißt, auf was du dich da einläßt. Aber ich nehme an, wenn man das immer vorher wüßte, würde man gar nichts mehr tun.
    Darf ich dich nur um eines dringend bitten? Falls du vorhast, noch abzuspringen, tu das vor der Party! Danach bist du nämlich verlorener und festgelegter, als wenn in der Kathedrale von St. Paul der Bann über dich verhängt worden wäre. Mit Sekretärinnen ist nicht zu spaßen.«
    Als sie sich auf den Weg zur Party machten, die in den Büros des Englischen Seminars stattfand (auf diese Weise wurde das Ganze halboffiziell, und die Ehefrauen mußten nicht eingeladen werden), sagte Reed: »Ich verstehe nicht, was Clemance bei diesem Lunch à 79

    deux eigentlich von dir wollte.«
    »Ich nehme an, er wollte sich Rückendeckung holen«, meinte Kate.
    »Sicher. Aber wofür?«
    »Daß er seine Haltung nicht ändern muß; daß er die, die das University College

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