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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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wechselseitiger war und Cartier es nicht über sich brachte, auf die Diskretion von irgend jemandem zu vertrauen.
    Eines Tages sagte Kate ihm das ins Gesicht, und er gab ihr in seiner üblichen knappen Art recht, indem er nickte und seine Arme wie eine Puppe ausstreckte. »Mit welchen Aufzügen wollen Sie sich denn zum Beispiel gerade herumschlagen?«
    »Ach, war nur ein Spaß, nur ein Spaß«, antwortete er und verschwand.
    An dem Tag, als sie mit McQuire gesprochen hatte, hielt sie in der Lounge des Clubs Ausschau nach Cartier. Es war der beste Ort, um Neuigkeiten aufzuschnappen, und Cartier konnte sich nie lange davon fernhalten. Tatsächlich hatte sie ihn dort gefunden, und es war ihr unter großen Mühen gelungen, ihn dazu zu bewegen, daß er mit ihr auf einer Couch Platz nahm.
    Er bot jede mögliche Ausrede an, von drohenden Katastrophen bis zu gerade ausbrechenden Krankheiten, aber Kate blieb hart. »Ich halte Sie nur eine Minute lang auf. Bitte, setzen Sie sich. Mir geht es gar nicht gut.« Das stimmte zwar nicht, machte es Cartier aber un-möglich, sich zu weigern. Er nahm auf der Sofakante Platz, das Gewicht auf den Zehenspitzen und mit zusammengepreßten Knien, wie
    – so war es Kate durch den Kopf gegangen – eine jungfräuliche Lady aus Viktorianischer Zeit, die sich gegen ein unzüchtiges Angebot wappnet. Er ist tatsächlich der einzige Mann, hatte Kate gedacht, der aussehen kann wie Little Miss Muffet, ohne ihm geringsten weibisch zu wirken.
    Sie hatte ihm McQuires Theorie geschildert. »Interessant«, laute-te sein Kommentar, »aber ich glaube es nicht. Das Aspirin war bloß ein unglücklicher Zufall, höchstwahrscheinlich eine rein pharmazeu-tische Angelegenheit; niemand scheint daran gedacht zu haben. Die entscheidende Frage sind die Aufzüge.« Cartier beendete seine Sätze immer so abrupt, wie er sie anfing; eine seiner angenehmeren Eigen-schaften in diesen langatmigen Zeiten.
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    »Sind in der letzten Zeit Ihres Wissens wieder Aufzüge steckengeblieben?« hatte Kate gefragt. »Und wenn Sie versuchen, die Flucht zu ergreifen«, hatte sie drohend hinzugefügt, »setze ich mich auf Ihren Schoß, bis Sie geantwortet haben.«
    »Wunderbar«, hatte Cartier überraschenderweise geantwortet und sich zurückgelehnt, um mehr Platz auf seinem Schoß zu schaffen.
    »Es tut mir leid«, war Kates Antwort gewesen. »Die größte Sün-de: Menschen in Schubladen zu stecken, sich einzubilden, man wüß-
    te schon vorher, was sie sagen werden. « Cartier hatte die Entschuldigung gleichzeitig als Entlassung aufgefaßt, war aber stehengeblie-ben, weil Kate ihre unbeantwortete Frage nach den Aufzügen nach-hallen ließ.
    »Heute am späten Nachmittag haben die Chemiker eine Bespre-chung«, hatte er gesagt, bevor er ging. Kate war auf der Couch sitzen geblieben und hatte diese kleine Information wie einen Schatz bewahrt. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, was für ein Nutzen sich daraus ziehen ließe, aber es war das einzige Faktum, das Cartier ihr jemals mitgeteilt hatte. Unglücklicherweise hatte sie es sich nicht mehr zu Herzen genommen oder zumindest sofort Reed davon berichtet, denn als sie ein paar Tage später zufällig Professor Fielding von den Chemikern traf, erwähnte er, daß der komplette Lehrkörper des chemischen Instituts am Tag seiner Sitzung fünfundvierzig Minuten lang im Aufzug festgesessen hatte.
    Reed hatte in der vergangenen Woche mit Leuten vom War-tungsdienst, Wachpersonal, Dekanen, Sekretärinnen und Empfangs-damen gesprochen. Schließlich konnte er die endlosen Äußerungen über die Studenten von heute, die düsteren Prognosen für die Zukunft und die absolut nutzlosen Informationen nicht mehr hören. Als sie gemeinsam die U-Bahn verließen und Kate sich auf den Weg zu ihrem nachmittäglichen Seminar machte, sagte er, der heutige Tag bringe hoffentlich ein Ergebnis, aber er zweifele daran.
    In diesem Punkt sollte er sich irren.
    Als erstes lief ihnen Castleman über den Weg. Er blieb stehen, um mit ihnen zu reden, und stellte seine Aktentasche auf den Boden.
    »Eine Schnecke auf spiegelglatter Fläche kommt schneller vorwärts als wir«, sagte er. »Oh, das ist nicht Ihr Fehler und nicht meiner, das ist niemandes Fehler. Cartier hofft immer noch, jemanden zu erwischen, der sich an den Aufzügen zu schaffen macht. Aber wer immer das auch tun mag, er wird in keine Falle gehen. Steht schon jemand am Schaltkasten, geht er eben weiter; wird er beinahe ertappt, kann 129

    er gerade noch

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