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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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auszudrücken schien, als jede öffentliche Umarmung das gekonnt hätte. Reed seinerseits gab zu, daß ihn der Campus gleichermaßen faszinierte wie er begierig war, ihn zu verlassen. Auf alle Fälle wollte er nicht gehen, bevor er der Universität nicht jene Erkenntnisse geben konnte, die nötig waren, um wieder Frieden einkehren zu lassen. Risse, die quer durch eine Gruppe gehen, werden genauso wie Krankheiten nicht dadurch geheilt, daß man sie benennt; doch wenn man ihnen einen Namen gibt, isoliert man sie von ihren natürlichen Verbündeten: der übermäßigen Angst, Beklemmung und Mutlosigkeit. Die Magie der Ärzte läge, aller Forschung zum Trotz, darin, erklärte Reed Kate, daß sie die Macht hätten, den Dingen einen Namen zu geben. Jetzt besaß er diese Macht; er wollte sie nutzen und dann wieder verschwinden.
    In der vergangenen Woche hatte Kate ausführliche Gespräche mit Studenten und Fakultätsmitgliedern geführt, die irgendwie mit dem Fall zu tun hatten und ihr über den Weg liefen. Seit den Früh-jahrsunruhen schien jeder ständig Leute zu treffen und stehenzubleiben und zu reden. Früher hatte die Universität einem Club geähnelt, in dem sich nur die ältesten Mitglieder kannten und in Gespräche verwickelten. Jetzt war sie zu einer Art Kleinstadt geworden, in der jeder jeden kannte und begrüßte und meist Neuigkeiten, Klatschge-126

    schichten und Gerüchte loswerden wollte. Kate dachte, daß Gefahren und gemeinsame Erfahrungen die moderne Welt zu einem Dorf machten – und nicht etwa das Fernsehen, wie dieser dröge Das-Medium-ist-die-Botschaft-Verkünder hatte weismachen wollen. Sie hatte sich mit vielen unterhalten und viel erfahren, aber nichts von alledem schien sie weiterzubringen.
    Frogmore berichtete von Gesprächen mit fast allen Mitgliedern des Verwaltungsrates, und es war keine Frage, daß das University College über eine überwältigende Zahl von positiven Stimmen wür-de verfügen können, wenn seine Sache je vor dem Verwaltungsrat verhandelt würde. Eine Reihe von Mitgliedern des Rates kam aus Universitäten, die in keiner direkten Verbindung zu den Geistes- und Naturwissenschaften im Grund- oder Graduierten-Studium standen, und sie sahen nicht ein, warum ein Bereich der Universität die Macht haben sollte, einen anderen aufzulösen – jedenfalls so lange nicht, wie keine zwingenderen Gründe vorlagen als die bisher genannten.
    Er hoffe nur, meinte Frogmore an Kate gewandt, daß es so einfach gehen werde.
    McQuire, der Kate beiseite nahm, um ihr zu erzählen, wie groß-
    artig er Reed fand, sagte, er glaube inzwischen, Cudlipp habe Selbstmord begangen – als besten Weg, dem University College den Garaus zu machen. »Nennen Sie es eine Art Harakiri«, sagte er. »
    ›Ich gehe unter und reiße das feindliche Schiff mit in die Tiefe.‹ « In dem Fall, hatte Kate entgegengehalten, wäre es sinnvoller gewesen, wenn er seinen mutmaßlichen Mörder beschuldigt hätte, bevor er zusammenbrach, statt nur auf so unkonstruktive Weise »Aspirin« zu rufen. McQuire zuckte nur die Schultern. »Keine Frage«, sagte er,
    »daß der ganze Plan danebenging. Wir werden das wohl nie genau wissen. Gewonnen hat er so oder so, und ich bin mächtig deprimiert.
    Gehen wir was trinken.«
    Aber Kate ging weiter, um mit Cartier zu reden, der sie immer mehr in Erstaunen versetzte. Er war der ruheloseste Mann, der ihr je begegnet war. Er schien geradezu an einer Muskelkrankheit zu leiden, die ihn in Zuckungen verfallen ließ, sobald er zu lange still stand oder saß. Er pflegte sie immer sehr freundlich mit etwas ungewöhnlichen Bemerkungen zu begrüßen (»Ich will mich mal wieder mit ein paar Aufzügen herumstreiten – wie geht’s?« war ein gutes Beispiel dafür), aber nachdem er ein gewisses Maß an Informationen herausgeholt und selbst so wenig, wie gerade noch schicklich, offenbart hatte, pflegte er davonzuzappeln, als hinge er an einem unsicht-127

    baren Faden, der ihn wie eine Marionette von der Bühne zog. Ein Großteil seiner Ruhelosigkeit, mutmaßte Kate, rührte aus seinem Hunger nach Informationen und seiner totalen Unfähigkeit, selbst welche zu liefern. Da die meisten Leute lieber redeten als zuhörten, funktionierte Cartiers Methode ganz gut. Er hörte heftig nickend zu, und sowie eine Gegenfrage kam, stammelte er entschuldigend etwas von dringenden Geschäften und verschwand. Aber nach einiger Zeit wurde Kate und zweifellos auch den anderen klar, daß der Informa-tionsaustausch kein

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