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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Auto«, erklärte ich, »haben oben auf dem Hügel ein kleines Mädchen, zwei halbwüchsige Jungen und einen anderen Kentauren ermordet. Der erste Schuß, den du gehört hast, galt mir .«
    »Wenn das so ist, verstehe ich, weshalb du dich so neurotisch aufführst. Aber ich bin überzeugt, er hier hat damit nichts zu tun.«
    Ich nickte und hob die Stasis auf.
    Wegen der Schwere der Stasis wußte Nick nicht, daß er eine Zeitlang außer Gefecht gewesen war. Er führte zu Ende, was er vorgehabt hatte zu tun, und sprang aus dem Auto. »Gott sei Dank, daß Sie kommen«, sagte er. Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung und angstvoller Sorge. »Bitte, Sie müssen mitkommen und helfen! Meine Mutter hat Maree entseelt!«
    »Was? Sie hat durch sie hindurch ein Weltentor geöffnet? Bist du sicher? Und wo?« Von den hundert Fragen, die mir auf die Zunge drängten, erschienen mir diese am wichtigsten.
    »Ja, ich bin sicher! Ich war dabei!« Er schluchzte auf. »Da drüben bei dem Hügel mit dem Wald, auf der Landstraße. Oh, bitte, können Sie mich hinfahren, schnell?«
    »Steig ein«, befahl ich, »avanti! Sag mir, wie ich fahren muß.«
    Ich jagte los, bevor Nick Zeit gehabt hatte, die Beifahrertür zu schließen. Wenn jemand entseelt wird, weil sich exakt an dem Punkt, wo er sich befindet, ein Durchgang zwischen den Welten öffnet, muß man schnell handeln, bevor die Verbindung zwischen den beiden Hälften abreißt. Bei Maree mußte es ungefähr eine halbe Stunde her sein. Während ich die Scheinwerfer einschaltete und mich von Nick zwischen den Weingärten hindurchlotsen ließ, verfluchte ich mein Mißtrauen, das wertvolle Zeit gekostet hatte. »War deine Mutter allein?« fragte ich.
    »Nein, ein Mann, der Gram White heißt, war bei ihr. Sie haben mich nicht gesehen, ich hielt mich versteckt. Aber ich konnte überhaupt nichts tun, um zu helfen. Dann kam ein junger Kentaur aus dem Wald und schrie, sie wären Mörder, und mir ist nichts anderes eingefallen, als zu Ihrem Auto zu laufen, während sie sich alle gegenseitig anbrüllten. Ich rannte durch die Weingärten und hoffte, Sie wären inzwischen wieder zurück. Hier rechts abbiegen.«
    Ich wendete in einer Staubwolke und brauste die Chaussee am Fuß des Hügels entlang, zwischen einem düster-grün bewaldetem Hang und einer kahlen schwarzen Hecke. Die Scheinwerfer schoben die Dunkelheit vor uns her, zeigten uns Radfurchen, Schlaglöcher, das hohe Gras längs der seitlichen Gräben - und die kleine weiße Gestalt auf dem hellen Weg.
    »Da! Da ist sie!« rief Nick.
    Ich bremste. In einem Hagelschauer aus Steinen und Erdbrocken kam der Wagen zum Stehen, und wir sprangen hinaus. »Bleib zurück!« warnte ich Nick. »Ich muß genau wissen, wo das Tor geöffnet wurde.«
    Er gehorchte ohne Widerrede und folgte mir fast auf Zehenspitzen, als ich auf der Seite, wo der bewaldete Hang über der Chaussee aufragte, vorsichtig zu Maree ging. Sie lag mit den Füßen zu unseren brennenden Scheinwerfern, den Kopf auf einen Arm gebettet, fast, als wäre sie auf der Straße eingeschlafen. Ich n ahm an, sie hatte den Arm schützend hochgeworfen, als das Tor sich öffnete.
    »Beschreib mir ganz genau, wo sie gestanden haben, deine Mutter und dieser Gram White«, forderte ich Nick auf. »Oder besser noch, geh vorsichtig zu der Stelle, wo deine Mutter war, und dann zeig mir, an welcher Position White sich befunden hat.«
    Der Junge nickte, ein klägliches kleines Bibbern des Kinns, und bewegte sich mit seitlichen Schritten auf den Weg hinaus, fast bis zu der kahlen Hecke auf der anderen Seite. Etwas weniger als einen halben Meter vor Marees bewegungslosen weißen Schuhsohlen blieb er stehen, und etwa anderthalb Meter seitlich von ihr. »Der Mann stand ziemlich genau gegenüber«, sagte er, »im gleichen Abstand.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja. Ich weiß es genau, weil ich die Reifenspuren von Marees Auto sehen kann, das wir hier stehengelassen hatten, am Waldrand, da neben Ihnen. Maree wollte die Tür aufschließen, und die beiden kamen um das Heck des Wagens herum.«
    »Wo warst du?«
    »Ziemlich genau, wo Ihr Wagen steht, nur in der Hecke. Ich mußte mal.«
    »Okay.« Seine Angaben erschienen mir glaubhaft, und wir hatten Glück, daß es jetzt dunkel war. Im Licht der Autoscheinwerfer zeichneten Schatten alle Konturen nach, die geringsten Unebenheiten in der Oberfläche des Wegs traten deutlich hervor, sogar die sehr schwache Rille im Staub, ungefähr einen Meter lang, unterhalb von Marees

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