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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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entfernt, daß wir erst Nicks Zimmer erreichten. Nick sagte, er wolle sich einen Pullover holen und käme nach, aber: »Wir warten auf dich«, sagten Will und ich fast im Chor. Wir wollten nicht, daß er uns wieder entwischte. »Und wo ist Marees Zimmer?« fragte ich, während Nick seine Tür aufschloß.
    Er zeigte auf die Tür nebenan. »Da. Warum?«
    Ich fand, es war besser, ihm nicht zu sagen, daß Janine vorgeschlagen hatte, Maree in ihr Zimmer zu bringen. »Nur etwas nachsehen. Weißt du, wo Maree ihren Schlüssel hat?«
    »Rechte obere Jackentasche.« Seine Miene verriet mir, daß er ahnte, es hatte etwas mit seiner Mutter zu tun.
    Schlechten Gewissens zog ich den Schlüssel aus Marees ausgeblichener Tasche und trat in ein Hotelzimmer, viel kleiner als meins und vollgestopft mit einer erstaunlichen Menge Habseligkeiten. Offenbar barg es Marees gesamten weltlichen Besitz. Auf dem Bett saß ein grauer, fast kahler Teddybär, der aussah, als wäre er jahrelang am Genick herumgetragen worden. Der Arztkoffer krönte einen Stapel Allerlei auf dem Fußboden; den Frisiertisch teilten sich ein Computer und mehrere Kartons mit oft gelesenen Büchern. Und, wie ich vermutet hatte, irgend etwas war faul. Irgend etwas war oberfaul, aber ich konnte den Ursprung nicht lokalisieren. Das Gefühl einer Bedrohung war aber so stark, daß ich Will, der ahnungslos Maree hinter mir ins Zimmer schieben wollte, ein Zeichen gab, mit ihr unbedingt draußen zu bleiben. Will spürte die Bedrohung ebenfalls, er nickte und machte kehrt. Ich schlängelte mich zwischen den Stapeln hindurch und suchte, ohne Erfolg.
    »Schauen Sie in den Computer.« Nick stand in der Tür, eingemummt in einen voluminösen flauschigen blauen
    Pullover und trotzdem fröstelnd, als hätte die Reaktion auf die Erlebnisse des Tages bei ihm erst jetzt eingesetzt. »Sie arbeitet viel am Computer.«
    Ich stieg über einen Bücherkarton hinweg, schaltete den Computer ein, und sobald der Schirm hell wurde, tat ich, ohne nachzudenken, das, was ich gewohnheitsmäßig bei jedem meiner Computer tue: Ich startete einen Virusscan a 1a Magid. Mit überraschendem Ergebnis. VIRUS AKTIV, meldete der Schirm. Die Fläche hinter der Schrift füllte sich mit dürren, knorrigen Zweigen, mehr und mehr, bis der Schirm zugewuchert war und ich das Gefühl bekam, daß mich aus dem Gewirr heraus etwas anschaute. Aus den Zweigen wuchsen Dornen, lang und nadelspitz, und wie Stiche spürte ich jede Enttäuschung, Zurückweisung, Niederlage und Demütigung, die ich je erlebt hatte - und noch einige mehr, speziell Demütigungen.
    Ich stand da und starrte wie hypnotisiert auf das Zweiggewirr, in mir wie Säure ein Gefühl bodenloser Minderwertigkeit. Meine Existenz war sinnlos. Alles war sinnlos. Weshalb sich wehren? Alles, was ich anfing, war ohnehin zum Scheitern verurteilt, ich konnte ebensogut aufgeben und sterben ...
    Ein Ausruf von Nick riß mich aus dieser selbstzerstörerischen Trance. Er deutete zum Bett, auf dem ein schattenhafter Dornbusch zu wachsen schien. Gehässig spießte er seine Triebe in das Kissen, stach durch die Tagesdecke, und mehrere Sprossendolche durchbohrten sogar den grauen Teddybären. Ungeheurer Zorn löschte Resignation und Selbsthaß aus. Deshalb also hatte Janine gewollt, daß Maree sich hinlegte! Zweifellos hatte der ursprüngliche Plan vorgesehen, Maree entseelt auf der Chaussee liegen zu lassen, wo Dakros sie finden sollte - seine letzte vernichtete Hoffnung. Janine mußte sich sehr geärgert haben, als sie Maree in meiner Obhut sah und feststellte, daß sie um diese elegante Lösung betrogen worden war. Daraufhin hatte sie dies hier inszeniert, wohl wissend, daß Maree in ihrem geschwächten Zustand den Phantomdornen keinen Widerstand entgegensetzen konnte. Besonders ärgerte es mich zu sehen, wie sie den offensichtlich heißgeliebten Teddybären attackierten.
    »Die Dornenhexe«, sagte Nick. »Maree hatte Alpträume von ihr. Deshalb haben wir in Bristol den Alle-Guten-Geister-Tanz aufgeführt - um sie loszuwerden.«
    »Das hättet ihr nicht geschafft, sie ist eine vermaledeite Göttin. Der Computer ist verseucht, so daß jedesmal, wenn Maree ihn einschaltete, die Manifestationen mächtiger wurden.« Mein Respekt vor Maree wuchs, seit ich wußte, wogegen sie die ganze Zeit hatte ankämpfen müssen.
    »Können Sie sie vertreiben?«
    »Ja, aber das wird eine langwierige Prozedur«, antwortete ich. Alle Spielarten von Theurgie und Gramaryen, die mit Gottheiten zu

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