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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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eigenen Saft zu schmoren, ließ ich mir Zeit bei der Bestellung, darin unterstützt von dem Zimmerkellner, der Anzeichen einer nervlichen Überlastung zeigte und mich ständig bat, Dinge zu wiederholen. »Und kann ich mich darauf verlassen«, sagte er, »daß der Kollege, der Ihnen diese Bestellung bringt, von dem Anblick - äh - exzentrischer Kostüme verschont bleiben wird?« Ich schaute zu Rob, der sich krampfhaft bemühte, Maree nicht anzusehen, aber dafür ständig Nicks ernstem, fragendem Blick begegnete, und versicherte dem Mann, jede der in meinem Zimmer anwesenden Personen sei völlig normal. »Und können Sie mir erklären, wo genau Zimmer 555 sich be fin det?« forschte der geplagte Mann weiter. »Es ist im Lauf des Abends mehrmals vorgekommen, daß Angestellte sich verlaufen haben - unerklärlicherweise -, und wir bemühen uns, weitere - äh - Beschwerden zu vermeiden.«
    Hier versuchte Rob, sein Problem zu lösen, indem er sich wieder hinlegte und die Decke über den Kopf zog. Da ich ihn in einem Zustand der Verunsicherung halten wollte, wandte ich mich vom Telefon ab und fragte: »Rob, magst du Heu?«
    »Heu?« Er fuhr entgeistert in die Höhe.
    »Einen Ballen oder zwei?«
    »Wie bitte?« riefen Rob und der Zimmerkellner fast gleichzeitig.
    »Tut mir leid«, sagte ich in den Apparat, »wir Fantasyfans haben eine seltsame Art von Humor. Sagen Sie dem Kollegen, als wir eben gekommen sind, lag Nummer 555 vom Lift aus um drei Ecken.«
    Ich legte auf, zog einen Stuhl heran und setzte mich neben Maree, Rob gegenüber. »Okay«, sagte ich. »Es wird eine Weile dauern, bis das Essen kommt. Also kannst du mir ein paar Fragen beantworten, während wir warten.«
    »Dazu bin ich gern bereit«, antwortete Rob wohlerzogen, aber zurückhaltend.
    »Wird sich zeigen. Ich will, daß du jede Frage mit nur einem Wort beantwortest. Wer hat dich hergeschickt?«
    »Knarros«, sagte Rob mit großen Augen und im Brustton gekränkter Aufrichtigkeit.
    »Und wer hat Knarros befohlen, dich herzuschicken?«
    »Knarros würde von niemandem Befehle ...«
    »Rob«, mahnte ich. »In einem Wort. Wer?«
    »Ich - ich kann es nicht sagen.« Er wurde blaß und sah dermaßen elend aus, daß ich mir trotz allem, was Stan gesagt hatte, wie ein Folterknecht vorkam.
    »Na gut. Wen solltest du holen? Ein Wort.«
    »Ich... «
    »Nicht mich?«
    »Nein.« Er ließ sich auf das Kissen zurücksinken und machte die Augen zu.
    »Vielleicht möchtest du es uns verraten, Nick.«
    Nick lag bäuchlings auf dem Teppich. Er blickte reuevoll zu mir auf. »Maree«, sagte er. »Rob sagte, sein Oheim wolle mit ihr sprechen.«
    »Nicht auch mit dir?«
    Nick schüttelte den Kopf. »Aber ich hätte mir das auf keinen Fall entgehen lassen.«
    Janine, dachte ich, konnte ihren Sohn nicht besonders gut kennen, wenn sie sich einbildete, ihn von der Party fernhalten zu können, indem sie ihn einfach nicht einlud. Diese Art Blindheit auf einem Auge scheint allen Müttern eigen zu sein. Meine eigene Mutter weigert sich konsequent, die merkwürdigen Dinge zur Kenntnis zu nehmen, die ich als Magid tue - die merkwürdigen Dinge, die alle ihre drei Söhne tun.
    »Maree und du, ihr scheint im Lift ein interessantes Gespräch mit Rob geführt zu haben«, meinte ich.
    Nick und Rob schauten sich an, mit einem Blick, der sowohl Betroffenheit als auch Komplizenschaft ausdrückte. »Ich dachte, es wäre Ihnen nicht aufgefallen«, sagte Nick schließlich.
    »Würdet ihr mir erzählen, worum es dabei gegangen ist?«
    Es entstand ein ziemlich langes Schweigen, unterbrochen nur durch Marees Flüstern. Ich glaubte »sag’s ihm « zu verstehen, nur wußte ich nicht, ob sie Nick aufforderte zu beichten oder ob ich mich verhört hatte und es hieß in Wirklichkeit »sag’s ihm nicht«. Wie auch immer, es bewies, daß sie der Unterhaltung folgte, und das war beeindruckend. Auch wenn man die improvisierte Gramarye am Busbahnhof in Betracht zog, zeigte sie eine um vieles größere Widerstandskraft, als man erwarten konnte.
    Endlich schaute Rob mich an und erklärte: »Ich habe Nick gesagt, daß wir Vettern sind. Aber ich dachte, ich würde die Besinnung verlieren ... «
    »Und mehr konnten wir nicht reden, bevor Sie beide den Lift nach unten geholt haben«, warf Nick rasch ein.
    »Hat Rob erwähnt, wie es sein kann, daß ein Kentaur und ein Mensch Vettern sind? Kommt mir ziemlich unwahrscheinlich vor.«
    »Durch Adoption natürlich.« Auf Robs schönem Gesicht lag das Leuchten reiner Unschuld.

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