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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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die Füße zwischen Schenkel und Arme setzte oder unter Hände und Schultern zwängte. Hie und da entlockte ich jemandem einen Schmerzensschrei. Ich stieß etliche Gläser um und eine Flasche mit dem hochprozentigsten Rachenputzer, der mir je untergekommen war. Die Dämpfe trieben mir die Tränen in die Augen, aber die sechs Leute, die sich daneben zusammengeknäuelt hatten, zeigten keinerlei allergische Reaktionen. Ich entschuldigte mich, doch der einzige Kommentar von ihrer Seite bestand darin, daß einer sagte: »Verdammt, ich glaube, der Teppich löst sich auf!«, und alle lachten. Eine Hand reckte sich aus dem Gewoge von Leibern und reichte mir ein randvolles Glas Rum. Als ich es höflich entgegennahm, erkannte ich die narbige Pranke des Hexenhassers Gabrelisovic. Nein, danke, lieber nicht. Zwei Stufen tiefer drückte ich das Glas in eine andere Hand, die aus einem Nest verknoteter Beine zum Vorschein kam. Vielleicht gehörte sie Tansy-Ann Fisk. Etwas darunter lag ein beeindruckend langer und wohlgestalter Jüngling über wenigstens acht Stufen hingestreckt; er war nur mit einem Lendenschurz bekleidet und schien zu schlafen. Mehrere weibliche Wesen hatten ihn in Abschnitte aufgeteilt und ließen es sich angelegen sein, mit Filzstiften bewaffnet an ihm Körperkunst zu üben. Zwei malten eine strahlende Sonne in Rot und Gelb auf seine Brust, seine Arme erhielten links Herzen und Ank er und rechts geometrische Muster. Zinka verzierte seinen Oberschenkel mit liebevoll gezeichneten Weinranken. Sie trug ein Gewand aus schlüpfrigem Seidensatin in fließenden Rosetönen, das die Neigung hatte, äußerst verführerisch von ihrer weichgerundeten Schulter zu gleiten, und war völlig in ihr Tun vertieft. Während die anderen Mädchen nur spielten, war Zinkas Ranke dazu bestimmt, ihr diesen jungen Adonis zu späterer Stunde in die Arme zu führen.
    Es tat mir leid, ihr den Spaß zu verderben, aber die Kerzen brannten nicht ewig. Ich bückte mich und legte die Hand auf ihre warme, nackte Schulter. »Zinka, tut mir leid, aber ... «
    Sie zuckte zusammen und hob den Blick. »O Gott, ein Notfall, richtig? Kannst du mir noch einmal verzeihen? Ich hatte mir vorgenommen nachzufragen, ob alles in Ordnung ist, bevor ich ... Ich wußte, es ist etwas im Busch. Ko mm mit.«
    Sie stand auf, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her die Treppe hinunter. Ich wäre lieber nach oben gegangen, aber unten war näher und einfacher. Wir arbeiteten uns an einer recht extremen Orgie vorbei und zwängten uns dann durch eine Reihe von zehn Leuten, die auf der untersten Stufe schunkelten und sangen. Zu guter Letzt suchten wir uns zwischen Gläsern und Flaschen einen Weg zu einer freien Stelle bei der Feuertür.
    »Laß hören«, forderte Zinka mich auf.
    Ich konnte spüren, daß Kornelius Punt da oben auf den Zinnen seines Elfenbeinturms wieder den Trick der selektiven Stimmenverstärkung anwandte. Zinka merkte es ebenfalls. Sie schaute zu ihm hinauf, dann mit gerunzelter Stirn mich an, und beide schickten wir ihm die Illusion einer anderen Unterhaltung - zweier anderer Unterhaltungen. Wir waren zu sehr in Eile, um sie zu koordinieren. Die Da Oben allein wissen, was für ein sinnloses Gerede bei Punt ankam.
    »So ungefähr sieht es aus«, sagte ich und gab Zinka einen kurz zusammengefaßten Überblick über die bisherigen Ereignisse.
    »Babylon!« Sie schüttelte den Kopf. »Liebe Güte, Rupert! Du hättest mich schon vor Stunden rufen sollen. Hier erst einmal meine Strophe ...«
    Neben uns wurde die Tür aufgerissen, Mervin Thurless trat hindurch und richtete einen Blick unsäglichen Abscheus auf die wogende Treppe. »Was für ein unwürdiges Spektakel«, bemerkte er an uns gewandt, als glaubte er, wir wären dafür verantwortlich. »Und die Aufzüge streiken. Wie zum Teufel soll ich nach oben kommen?«
    »Schrecklich«, stimmte ich pflichtschuldigst zu, weil mir einfiel, daß ich ja angeblich ein Fan von ihm war.
    »Nur Mut«, meinte Zinka, »Sie müssen sich durchkämpfen. Ellenbogen, Fußtritte - die Leute sind alle viel zu betrunken, um es zu merken.« Während sie mich in die entgegengesetzte Richtung schob, durch die Tür ins
    Treppenhaus, fügte sie hinzu: »Manche wenigstens. Mit etwas Glück treten andere zurück!«
    Vor den Aufzügen, wo einigermaßen Ruhe herrschte, blieben wir stehen. »Schon gut«, beruhigte sie mich, als ich besorgt zurückschaute. »Ich habe Thurless den Befehl gegeben, die Treppe hinaufzusteigen, und wir haben

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