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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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gleichzeitig ... «
    Er verstummte abrupt und schaute zum jenseitigen Ende der Kerzenreihe.
    Geräusche drangen aus der Richtung der Schattenlandschaft, von dort, wo die Straße hinter der Hügelkuppe steil abwärts führte, so daß man nicht sehen konnte, wer oder was sie verursachte. Will und ich tauschten einen angespannten, ungläubigen Blick. So bald? Wir hörten das Klappern und Rollen von Steinen, keuchendes Atmen und eilige Schritte, die sich näherten. Jemand kam den Hang hinaufgelaufen. Wir warteten und schauten gebannt auf den Punkt, wo, glaubten wir, der Kopf der Person auftauchen mußte. Keiner von uns hatte in der vergangenen halben Stunde auf die Straße geachtet, aber wenn ich mich nicht täuschte, war mir schon bei Wills Wutausbruch eine vage Bewegung dort draußen aufgefallen.
    Alle drei starrten wir auf die falsche Stelle und waren völlig überrumpelt, als Nick mit einem Satz über die Kante sprang, zwischen den Kerzen stehenblieb und vornübergebeugt nach Atem rang.
    »Was ist los?«
    »Ist was passiert?«
    »Wo ist Maree?«
    Ich glaube, wir bestürmten ihn alle auf einmal, aber Nick antwortete mir . »Wartet - wartet bei der Brücke, sie ist okay. Lebendiger.« Er japste nach Luft, und es dauerte eine Minute, bevor er weitersprechen konnte. »Da ist diese Brücke, und davor stehen ein paar echt unheimliche Wächter. Sie wollen uns nicht hinüberlassen, weil wir irgend etwas nicht mitgebracht haben. Wir sollen umkehren und nach der fehlenden Strophe suchen. Also, hier bin ich.«
    »Verflucht!« sagte Will. »Die fehlende Strophe? Wer... «
    »Zinka!« Ich sprang auf und erschreckte die Entenküken. »Ich werde versuchen, sie zu finden.«
    »Und die Kerzen?« fragte Rob.
    »Ja, die Kerzen«, wiederholte Nick, der auf dem Pfad kniete wie ein ausgepumpter Marathonläufer.
    Sie hatten recht. Mit jeder Minute, die verging, während wir nach der fehlenden Strophe forschten, brannten die Kerzen weiter herunter. Und wir konnten nicht wagen, sie auszulöschen, solange Maree sich noch da draußen befand. »Angenommen«, meinte ich, »wir würden alle auslöschen, bis auf die beiden an der Schwelle der Straße? Will, was meinst du? Wäre das genug, um die Straße zu erhalten?«
    »Könnte funktionieren. Ich übernehme das, und du suchst Zinka.«
    Kaum hatte er ausgesprochen, war ich schon auf halbem Weg zum Lift, den Whites Aktivitäten um noch vier Ecken weiter weg verschoben hatten. Die Fahrt nach unten war eine Geduldsprobe, die Kabine senkte sich ruckelnd und stockend, und im zweiten Stock war Endstation. Ich spürte Zinkas Aura im Parterre, aber die Zeit war zu kostbar, um mit dem Aufzug herumzumurksen. Ich nahm die Treppe.
    Auf dem ersten Absatz hörte ich schon lautes Stimmengewirr und Gesang; als ich die Feuertür aufriß, um ins Parterre hinunterzulaufen, bot sich das dazugehörige Szenario meinen Blicken dar. Der Maskenball war in vollem Gange, die Stimmungswogen gingen hoch. Die Treppe war in ihrer gesamten horizontalen und vertikalen Ausdehnung von den Feiernden in Beschlag genommen, die sich begeistert, trunken, ausgelassen und stellenweise ausschweifend dem Vergnügen hingaben. Es sah aus, als hätten sie alle viel Spaß.
    Auf der obersten Stufe der Treppe, erhaben über die menschliche Komödie, thronte einsam Kornelius Punt. Als ich neben ihn trat, prostete er mir ernsthaft mit einem Zahnputzglas zu. »Ich versuche«, erklärte er, »zu erkennen, wo auf diesen Stufen die einen Körper anfangen und die anderen aufhören, jedoch ohne Erfolg.«
    »Ein ziemliches Gewühl«, stimmte ich zu. Ich schaute auf das ausschweifende Treiben hinunter und dann auf ihn. Einer der Gründe, weshalb ich geglaubt hatte, Punt könnte sich zum Magid eignen, war gewesen, daß er den Eindruck vermittelte, Welt und Menschen aus einer gewissen Distanz zu beobachten. In Wirklichkeit war er nur ein Voyeur. Ich war derjenige, der sich distanzierte, und weder war es notwendig für einen Magid, noch war es richtig. Im Gegenteil, deshalb hatte ich vielleicht so viel falsch gemacht. »Warum stürzen Sie sich nicht ins Vergnügen?« fragte ich Punt.
    »Ich ziehe es vor, mich von der Menge abzusondern«, erwiderte er. »Sehen Sie in mir einen Anwärter auf den >Absonderung des Jahres<-Preis.«
    Zinka befand sich irgendwo weiter unten auf der Treppe. »Sie werden ihn wahrscheinlich gewinnen«, sagte ich zu Punt. Dann machte ich mich an den diffizilen Abstieg. Mit einer Hand tastete ich mich an der Wand entlang, während ich

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