Eine Frage der Balance
ohnehin hier unten zu tun. Meine Strophe schickt uns in die Küche:
Was nehme ich mit nach Babylon?
Salz und Korn, wie’s gebührt,
Wasser, dann Wolle, die wärmt unterwegs,
und eine Kerze, die dich führt.
Drei Gaben nutze und vergeude sie nicht,
dann gelangst du hin bei Kerzenlicht.«
»Aber natürlich!« Ich hätte mir ein Monogramm in den Bauch beißen können. »Die Elemente des Lebens! Daß ich daran nicht gedacht habe!«
»Also suchen wir die Küche.« Im Laufen sagte Zinka ate ml os: »Kerzen habe ich reichlich. Wolle ist kein Problem. Wasser auch nicht. Schwierig wird es mit dem Getreide.«
Nach einigem Herumirren in den hinteren Regionen des Hotels gelangten wir durch Flügeltüren aus Edelstahl in ein Panorama von Edelstahlgeräten, die nach unterhalb der Siedegrenze gehaltenem Fett rochen. Ich überließ Zinka die Führung. Jeder Magid hat ein spezielles Gespür für seine oder ihre eigenen Geheimnisse, und außerdem war das einzige menschliche Wesen weit und breit ein müde aussehender Bursche mit hoher weißer Mütze. Er würde eher Zinka einen Gefallen tun als mir.
Sie sprach ihn sofort an.
»Wir brauchen sehr dringend etwas mit ganzen Körnern«, sagte sie. »Haben Sie vielleicht irgendwelches ungemahlenes Getreide?«
»Müsli?« schlug der verdutzte Koch vor.
»Zu viele Beimischungen. Weizen oder Hafer oder Gerste als ganzes Korn - so etwas suchen wir.«
Er tat sein Bestes, der Ä rms te. Seine erste Auswahl u mf aßte ein Päckchen Tiefkühlmais, eine Tüte Vo llk ornmehl und einen Karton Haferflocken. Zinka lächelte zu ihm auf, betörend und satinumschmeichelt, und bat ihn, es noch einmal zu versuchen. Er präsentierte ungeschälten Reis. »Im äußersten Notfall könnten wir damit zurechtkommen«, meinte Zinka, »aber wir brauchen europäisches Getreide, wenn irgend möglich.« Er brachte Sesamkörner und Kreuzkraut, Mehrkornbrot und Pumpernickel. Zinka nahm ihn freundlich bei der Hand und sie entschwanden zu einer Inspektion der Schränke.
Während sie beschäftigt waren, fand ich in einer Schublade Plastiktüten. Auf einem Regal neben der Tür standen reihenweise Menagen, und ich leerte unverfroren die kleinen Salzstreuer, bis ein Beutel voll war. Dann, nahezu in Panik wegen der Kerzen, die in meinem Zimmer unaufhaltsam niederbrannten, suchte ich mir ein großes Sieb und machte mich daran, die Haferflocken auszulesen. Die meisten Körner waren zerquetscht, doch ich hatte ein paar Gramm unversehrten Hafer gesammelt, als Zinka mit einer Blechdose wiederkam, drinnen ein spärliches Gerappel von Weizenkörnern, die, wie der Maitre brummig bemerkte, von der Außenseite von irgendwas stammen mußten.
»Oh, gut«, lobte sie meine Eigeninitiative. »Wenn wir deine und meine Ausbeute zusammenschütten und mit Kreuzkraut und Sesam und etwas Reis auffüllen, müßte es knapp für zwei Handvoll reichen. Danke, Maitre, ich liebe Sie. Komm, Rupert.«
Wir hasteten mit unseren Plastiktüten zurück ins Treppenhaus.
»Ich weiß nicht genau, was mit dem ersten Aufzug los ist«, japste Zinka, »aber ich fürchte, die Macken von dem hinteren sind meine Schuld - und deine. Wenn du eine Stasis aufbaust, machst du keine halben Sachen, das muß man sagen. Ich konnte sie nur teilweise rückgängig machen.«
»Das ist alles?« Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Aussicht, mich noch einmal durch das Festgetümmel kämpfen zu müssen, hatte mich nur mit mäßiger Begeisterung erfüllt. Hingegen war es eine Kleinigkeit, die Reste meiner Stasis aufzuheben, und schon trug uns der Lift nach oben. Im dritten Stock wartete ich in der Kabine, während Zinka die rosigen Röcke raffte und zu ihrem Zimmer lief, um die Kerzen zu holen.
Das Warten war eine Zerreißprobe für meine Nerven. Meine Uhr behauptete, daß erst eine halbe Stunde vergangen war, aber ich traute ihr nicht. In mir verstärkte sich die Ahnung eines Unheils, doch ob sie sich auf etwas bezog, das in meinem Zimmer zwei Etagen höher passiert war, oder auf Maree, die allein und schutzlos in einem Reich der Schatten auf Nicks Rückkehr wartete, konnte ich nicht sagen. Ich wünschte mir nur, Zinka möge sich beeilen.
Um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sie tat es. Kaum zwei Minuten später kam sie von der anderen Seite zurückgelaufen, die Arme voller Kerzen - echtes Bienenwachs, man roch den Honig -, und berichtete mir außer Atem, der Nodus spielte jetzt völlig verrückt, und ihr Zimmer läge nun gleich hinter dieser Ecke. Ich drückte
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