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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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aber Maree sagte: »Armer Onkel Ted! Ich habe ihm versprochen, seine Rede bis zum Ende anzuhören!«
    Unmöglich konnte ich weggehen und sie allein hier lassen, White und Janine ausgeliefert. Ich zuckte ratlos die Schultern. Vielleicht konnten wir durchhalten.
    »Herrgott, sei kein Idiot, Rupert!« sagte Will. »Schnapp sie dir und trag sie nach draußen. Oder ich tu’s!« Schon war er aufgesprungen, hatte ihr die Arme unter Rücken und Knie geschoben und schwenkte sie von ihrem Stuhl in die Höhe. Sie quietschte überrascht.
    Ted Mallorys verärgertes Gesicht wandte sich in Wills Richtung, dann flog sein Blick zur anderen Seite, wo seine Frau sich von ihrem Platz in der ersten Reihe erhoben hatte. Janine war nicht gesonnen, Maree davonkommen zu lassen. Sie warf den Kopf in den Nacken und stieß einen langen, heulenden Ruf aus:
    »Aglaia- Ualaia!«
    Ich erkannte den Namen ihrer dornenreichen Göttin. Thurless ebenfalls. Er fuhr herum, nickte Janine zu und wandte sich wieder an seine Helfer, um ihnen ein Zeichen zu geben. Einstimmig stießen sie das gleiche
    Geheul aus: »Aglaia-Ualaia!« Wie Hofhunde bei Vollmond. Ein starker Ozongeruch hing plötzlich in der Luft, Indiz dafür, daß der Pegel der Macht um eine weitere Stufe angehoben worden war.
    »Aber Janine, was soll das!« sagte Ted Mallory tadelnd, mit erhobener Stimme, um sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen.
    »Halt den Mund, Ted!« antwortete Janine kalt. »Begreifst du nicht, daß es hier um Wichtigeres geht als deine alberne Rede?«
    Sie kam an der Plattform vorbei auf uns zu, mit langsamen Schritten und siegesgewiß. Sie kam, und mit ihr ein sprießendes, aufrankendes, sich rapide ausbreitendes Gewirr aus grauen, dornigen Zweigen. Wir befanden uns ebenfalls in dem freien Raum vor dem Podium und wichen zurück, aber auch hinter uns wuchs die Dornenhecke in die Höhe und wucherte durch die Stühle, von denen wir eben aufgesprungen waren. Will und ich konnten nichts anderes tun, als die Stellung zu halten und alle Energie darauf zu verwenden, die Stärke unserer Schutzhülle zu verdoppeln. Der beschwörende Gesang von Whites Vasallen hatte diesen Aspekt der Göttin in die Wirklichkeit herübergeholt. Das Gezweig breitete sich raschelnd und knisternd aus, schob sich den Gang entlang - wo Tina Gianetti in panischer Angst die Flucht ergriff und ihren ungläubig dreinschauenden Freund am Kragen seines Anzugs hinter sich her zerrte - und hatte in Blitzesschnelle den Rednertisch überzogen, als Janine daran vorbeiging. Maxim, der nach dem Mikrofon griff, um den Versuch zu machen, die Ordnung wiederherzustellen, mußte erleben, daß die Zweige sich an seiner Hand festkrallten und Wurzeltriebe sich in sein Fleisch bohrten. Er riß die Hand zurück und schlug nach den daran haftenden, dornenstarrenden Ranken. Auf seinem Gesicht mit dem weit offenen, stummen Mund malten sich Grauen und Schmerz. Ted Mallory war zur Seite gewichen und entfernte sich jetzt rückwärtsgehend
    Schritt für Schritt; er konnte den Blick nicht von Hough losreißen, und sein Gesicht war käsebleich.
    Grauen und Schmerz waren die Gaben der Göttin an ihre Anhänger, Janine hatte den gleichen Gesichtsausdruck wie Ma xim . Sie war selbst fast vollständig ein Dornenstrauch geworden, als sie unsere geschützte Enklave erreichte.
    Maree sagte: »Den Alle-Guten-Geister-Tanz, Nick, schnell!« und wand sich aus Wills Armen. »Ihr zwei macht auch mit, los!« Sie schnippte mit den Fingern, stellte sich in Positur und begann mit dem lächerlichen Tanz, der mich zweimal zuvor so gewaltig auf die Pa lm e gebracht hatte. Nick, obwohl käsebleich wie Ted Mallory und am ganzen Leib zitternd, folgte sofort ihrem Beispiel.
    Und es wirkte. Bei dem ersten idiotischen schnipp, schnipp, schnipp hörte das Gestrüpp auf zu wachsen. Wir standen auf einer kleinen, kreisrunden Lichtung, gerade groß genug für uns vier, und graue, blattlose Dornenranken wanden sich über die unsichtbare Mauer. Will und ich beeilten uns, Marees Anordnung zu befolgen. »Glück, Glück, Glück!« skandierten wir. Schnipp, schnipp, schnipp. Albern wie es war, es machte auch Spaß.
    Beim zweiten Durchgang jedoch konnte ich durch den Dornenverhau hindurch die gewappneten Männer von ihren Plätzen aufstehen sehen und wie sie ihre Schwerter zogen, allen voran Gabrelisovic, zähnefletschend und angetan mit einer Rüstung, die mindestens eine Nummer zu klein für ihn war. Er übernahm die Führung, und die anderen folgten ihm.

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