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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Wohlgefallen. Man sah ihm an, wie er dachte, daß Nick einen stattlichen, vorzeigbaren Thronerben abgab. »Die Kaiserlichen Hoheiten Nichothodes und Sempronia, vermute ich?«
    Nick gab keine Antwort. Er nickte nur und schaute stumm auf seine tote Mutter. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, nur in seinen Augenwinkeln hatten sich Falten gebildet wie bei einem alten Mann. Maree war vor Verlegenheit glühendrot angelaufen. »Bitte«, sagte sie, »nennt mich wenigstens Marina.«
    »Wie Euer Hoheit wünschen.« Dakros neigte den Kopf. »Ich bin sehr froh, Euch wiederhergestellt zu sehen. Ein Orlog wartet darauf, die Kaiserlichen Hoheiten in ihr Reich zu bringen. Prinz Nichothodes, Euch ist bewußt, nicht wahr, daß man Euch in Kürze zum Kaiser von Koryfos krönen wird?«
    »Meinetwegen. Wenn’s sein muß«, sagte Nick.
    Tja, dachte ich, es mußte wohl so kommen... Oha! Für einen Moment war es Nick gelungen, mich zu täuschen. Dann aber fiel mir ein, wie aalglatt er sich Ansprüchen auf seine Person zu entziehen verstand, und mir wurde klar, daß er auch diesmal vorhatte, sich unauffällig davonzustehlen. Sein schnelles Nachgeben hatte ihn verraten. Wahrscheinlich wußte er selbst noch nicht, wie er seine Flucht bewerkstelligen sollte, aber garantiert: wenn der Augenblick kam, dem neuen Kaiser die Krone aufs Haupt zu setzen, würde Nick verschwunden sein. Daß Maree zu mir trat und mir warnend die Hand auf den Arm legte, bestätigte meinen Verdacht. Maree kannte Nick noch viel besser als ich.
    Vielleicht bekamen wir seinetwegen jetzt unseren ersten Krach.
    Ich schüttelte ihre Hand ab. »Das kannst du nicht tun!« sagte ich zu Nick.
    Dakros kam ihm mi t der Antwort zuvor. »Ihr mögt denken, er ist nicht bestimmt, unser Kaiser zu sein« - er hatte mich mißverstanden -, »aber er ist der einzige männliche Erbe, den ich habe, und ich werde verdammt noch mal dafür sorgen, daß er den Thron besteigt!«
    »Das hat mein Bruder nicht gemeint«, sagte Will. »Oder, Nick?«
    »Hat er nicht?« Nick schaute ihn treuherzig an.
    Will schüttelte den Kopf. »Gleich und gleich erkennt sich. Als Rupert in deinem Alter war, nannten wir ihn Houd ini .«
    »Ich verstehe nicht...«, begann Dakros gereizt, doch bevor er weitersprechen konnte, geschahen fast gleichzeitig zwei Dinge. In der anderen Saalhälfte ertönten das Jaulen und Fauchen einer Strahlenwaffe - ein in die Luft gezielter Warnschuß, nehme ich an - und aufgeregte Stimmen. Soldaten zerrten eine sich sträubende, vermummte Gestalt unter aufgetürmten Stühlen hervor. Dakros hatte kaum Zeit für ein zufriedenes »Aha!«, als er sich mit Ted Mallory konfrontiert sah.
    »Sie!« fuhr Mallory ihn an. Er war immer noch blaß, aber gefaßt und wütend. »Ja, Sie meine ich! Wie kommen Sie dazu, meine Frau zu ermorden?«
    »Es war notwendig.«
    »Sie geben es zu? Einfach so?«
    »Diese Frau war eine Mörderin«, erklärte Dakros, »und eine Hexe.«
    »Das kann ich bezeugen«, bestätigte ich.
    Ted Mallory starrte uns beide fassungslos an. Ich zerbrach mir den Kopf, was man noch sagen könnte, als Maree ihren Onkel in die Seite knuffte. »Du weißt es!« sagte sie. »Komm schon, Onkel Ted. Du mochtest sie nicht einmal! Gib zu, was du gesehen hast. Gib es zu, wenigstens einmal in deinem Leben! Na los.«
    Mallory schaute zu ihr hinunter. »Zugeben, daß...« Er holte tief Atem. »Also gut. Ich gebe zu, ich dachte, ich hätte Janine als einen höchst unangenehmen - sie war scheinbar Teil eines höchst unangenehmen Dornenstrauchs.«
    »Bravo!« sagte Maree. »Gut gemacht, Onkel Ted. Nick, du wirst von jetzt an gut auf ihn aufpassen müssen.«
    Nick zuckte verdrossen die Schultern. »Das werde ich nicht können, wenn ich Kaiser sein muß, oder?«
    »Du mußt ihn mi tne hm en.«
    »Das wäre zu viel für ihn.«
    Ich war geneigt, Nick recht zu geben, und wieder fragte ich mich, was man Passendes sagen könnte, als die Soldaten ihren sich heftig sträubenden Gefangenen angeschleppt brachten. Sein Gewand war über die Schultern herabgezogen und diente als Fessel für die Arme. Er reckte entrüstet das Kinn mit dem bebenden Spitzbart in die Luft und keifte: »Wenn ich’s euch doch sage, ich bin nicht Gram White! Ihr habt kein Recht, mich festzuhalten! Laßt mich augenblicklich los! Ich bin ein bedeutender Schriftsteller!« Ich gebe zu, es erfreute mein Herz, Mervin Thurless in der Kle mm e zu sehen, obwohl man annehmen mußte, daß Gram White ihn vorgeschoben hatte, um selber

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