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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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unterzutauchen.
    Will und ich wechselten einen Blick. Die Türen waren bewacht, also mußte White sich noch in der Halle befinden. Wahrscheinlich hatte er sich nach klassischem Vorbild zwischen den Leuten verborgen, die genauso gekleidet waren wie er. Wie auf Verabredung nahmen wir beide Kurs auf das zunächststehende Häufchen grau Vermummter. Thurless schrie hinter uns her: »Haltet sie! Haltet sie auf! Sie wollen sich die Welt Untertan machen!«
    Der ganze Saal war ein Hindernisparcours aus kreuz und quer stehenden oder umgekippten Stühlen, dazwischen Soldaten und verängstigt umherirrende Con-Teilnehmer. Will und ich hatten uns kaum bis zum Mittelgang durchgearbeitet, als hinter uns ein Fanfarenstoß ertönte, unglaublich laut und triumphierend und feierlich. Er war ein Signal, er kündigte ein Ereignis an. Wir drehten uns um, alle, jeder Anwesende im Saal, ob Einheimische oder Soldaten aus Koryfos. Und alle machten wir große Augen.
    Der Herold war Rob.
    Also war er lebendig, sogar mehr als lebendig: strotzend vor Kraft und Gesundheit. Seine Augen und sein Fell hatten den gleichen Glanz wie meine beiden Enten, als sie aus dem Schattenland zurückkehrten. Und, was mir auch bei Maree und Nick aufgefallen war, man hatte den Eindruck, daß er nun seine wirklichen Umrisse ausfüllte. Robs U mr isse waren unverkennbar die eines Prinzen. Der lange schwarze Haarschopf war nach höfischer Mode zurückgebunden, dazu trug er die königsblaue Jacke einer Galauniform mit goldenen Tressen, wahrscheinlich von einem Offizier der Elitetruppen ausgeborgt, und sie kleidete ihn wie ein königliches Gewand. Soweit ich feststellen konnte, war von der Verletzung an seiner Seite nicht einmal mehr eine Narbe zu sehen.
    Er setzte die Fanfare schwungvoll ab und stemmte sie gegen die rechte Flanke. »Silentium!« rief er gebieterisch. »Begrüßt Koryfos den Großen, Imperator von Koryfos!«
    Man vergißt leicht, was Kentauren für Lungen haben. Robs Stimme ließ schlagartig völlige Ruhe einkehren, nur der unverbesserliche Kornelius Punt war zu hören, der sich stillvergnügt selbst umarmte und kicherte: »Ein Kentaur! Ein echter Kentaur! Das ist wirklich das Tüpfelchen auf dem i!«
    Hinter Rob kam ein Trupp Soldaten hereinmarschiert. Sie trugen die Uniform, die ich stets mit einer kaiserlichen Ehrengarde assoziiert hatte, also das Königsblau und Gold der Jacke, die auch Rob anhatte, und wirkten sehr fesch und sehr zackig. Ich hörte einen der Männer, die Thurless festhielten, leise sagen: »Die sind von der Neunundzwanzigsten! Ich dachte, die hätten wir in Iforion gelassen, um dort für Ruhe zu sorgen.«
    Der mili tärischen Vorhut folgten vier prachtvoll ausstaffierte Personen, eine davon Zinka in ihrem grünen Samtgewand. Ihr zur Seite ging Prinzessin Alexandra in vollem Hofstaat, Schleppe, Fächer, Diadem, neben ihr erkannte ich Jeffros im Galaanzug eines Magiers des Reiches, darüber den kurzen Umhang mit der Lemniskate in Gold. Bei der vierten Person handelte es sich um einen Magid im Festgewand seines Amtes: weißer Seidendamast, flatternde purpurne Bänder, alles Drum und Dran. Will und ich mußten zweimal hinsehen, bevor wir unseren Bruder Simon erkannten.
    Nach ihnen betrat der Kaiser den Saal.
    Kein Zweifel, daß es sich um Koryfos den Großen handelte, unverkennbar die Ähnlichkeit mit all den Statuen, die ich im Palast und überall in Iforion gesehen hatte. Doch ebenso unzweifelhaft und unverkennbar war er mein Nachbar Andrew Connick. Sein Haar war vielleicht eine Nuance blonder und sein Gesicht eine Spur brauner, trotzdem konnte ich kaum glauben, daß mir die Ähnlichkeit nicht früher aufgefallen war. Seine stille, unaufdringliche Art mußte mich blind gemacht haben. Doch als er jetzt hereinkam, wußte man sofort, daß er der Imperator sein mußte, obgleich er wie Rob eine geborgte Uniform trug, und auch seine Miene war die gleiche wie immer, zerstreut und geistesabwesend. Man begriff, daß man nie zuvor den Hauch wahrer Majestät gespürt hatte. Besonders wir auf der Erde sind nicht mehr an echte Monarchen gewöhnt, aber dies war ein so wirklicher und wahrhaftiger Monarch, daß einem vor Ehrfurcht der Atem stockte.
    Wenigstens dreiviertel der Anwesenden erwiesen dem Kaiser von Koryfos ihre Ehrerbietung, indem sie sich verneigten. Wendy versuchte sich an einem Hofknicks und plumpste hin. Vor Scham wurde sie rot bis zu den Haarwurzeln.
    Mein ehemaliger Nachbar blieb stehen und ließ den Blick über das Durcheinander der

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