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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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ohne Skrupel benutzt, um eine unserer riskanteren und komplexeren Intentionen zum Abschluß zu bringen. Um die Wahrheit zu sagen, wir hatten nicht viel Hoffnung für Euch. Der größte Vorwurf, den wir Euch machen können, ist der, daß Ihr oft zu stolz auf Eure Fähigkeit, kunstvolle Gramaryen zu erschaffen, gewesen seid und Euch darüber entfallen ist, weshalb Ihr sie erschaffen habt. Uns allen ist es zu unserer Zeit nicht anders ergangen; Archont oder Sterblicher, einst kannten wir alle dieses Hochgefühl unserer neuerworbenen Fähigkeiten. Wir hoffen nun, Ihr akzeptiert für ein Jahr einige weniger beschwerliche Aufträge und betrachtet es als eine Gelegenheit, die Erfahrungen dieser Mission zu verarbeiten und daran zu reifen.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Rupert, und man hörte ihm an, daß er es ernst meinte.
    Dann war ich an der Reihe. Rupert hatte mir erklärt, daß ich, weil ich kein Magid war, meinen Bericht laut vorlesen mußte. Ich verstehe immer noch nicht so ganz, warum. Offenbar geht es darum, daß die Obere Kammer Wert darauf legt, meine integrale Autono mi e zu respektieren. Oder so was. Wie auch immer, all die vielen Gesichter wandten sich mir zu. Ich nahm meine Blätter und wollte anfangen, aber meine Stimme war weg. Was herauskam, war ein Gekrächze schlimmer als das von Stan, und schon dafür mußte ich mich anstrengen. Ich hustete. Mir wurden die Knie weich. Die Ränder der Blätter flatterten wie verstörte Motten.
    »Na, na, es wird dich schon keiner fressen, Söhnchen«, meinte Stan.
    »Keine Gefahr«, fügte Maree hinzu. »Sie haben sich gerade an Rupert gütlich getan, jetzt sind sie satt und friedlich.«
    »Ä-hem!« machte ich. Ich kam mir vor wie ein Idiot. Dann fing ich an zu lesen.

    [2]
    »Das erste Wegstück war ganz bequem. Wir hätten gut vorankommen können, wäre Maree nicht so schwach gewesen. Sie ging sehr langsam, und ich mußte sie stützen. Man konnte den Weg deutlich sehen. Er war sehr steinig, und sämtliche Steine waren von einer Seite schwach angeleuchtet, wie vom Mond beschienen, aber als ich mich umschaute, war da kein Mond, auch kein anderes Licht, nur grauschwarzer Himmel. Was l inks und rechts war, konnte man nicht sehen. Aber hören. Ein ständiges Rascheln, manchmal lauter, manchmal leiser, wie totes Gras, über das ein böiger Wind streicht, nur wehte gar kein Wind. Die Luft war still und stickig und warm, so drückend, daß man furchtbar viel schwitzte. Und bei dem Geruch, der vom Boden aufstieg, dachte ich, daß sich da draußen endlose Flächen Torfmoor erstrecken mußten.
    Als ich den Weg vom Hotelzimmer aus betrachtet hatte, hatte er ganz gemütlich ausgesehen. Aber das war ein Irrtum; in Wirklichkeit führte er ständig bergauf und bergab. Es war ein hartes Stück Arbeit, Maree dazu zu bringen, daß sie Schritt hielt. Als wir über den ersten großen Hügel hinweg waren und ins Tal hinuntergingen, wurde mir langsam mulmig. Daß man nichts sehen konnte, außer der Straße, die sich immer weiterschlängelte, und dauernd dieses Rascheln ohne Wind - unheimlich. Dann, unten im Tal, war der Weg plötzlich verschwunden, unter großen Steinen und Felsklötzen mit scharfen Kanten und Graten. Ich glaube, es war ein alter Flußlauf. Er führte kein Wasser, aber ich sah das ausgetrocknete Bett, das sich zu beiden Seiten durch das Tal wand, verschüttet von dieser Gerölllawine. Links von uns gab es rechteckige Steinquader und den Rest eines steinernen Bogens, offenbar die Trümmer einer alten Brücke. Etwas - jemand? - hatte sie zerstört. Wir mußten daneben über die Felsen klettern.
    Während wir da herumkraxelten, wurde Maree plötzlich sehr aufgeregt und hektisch, und ich wußte nicht, was ich mit ihr machen sollte. Ich vermutete, daß sie es eilig hatte, weiterzukommen, aber genau wußte ich es nicht, und plötzlich war mir alles zuviel, und ich hätte am liebsten geschrien. Sie führte sich auf wie eine Geistesgestörte. Mir kam der Gedanke, daß der Weg vor uns noch an vielen anderen Stellen zerstört sein könnte, und ob vielleicht das, was ihn zerstört hatte, irgendwo auf uns lauerte, und da war nur ich, um Maree zu beschützen, und ich fühlte mich einfach nicht stark genug dazu. Ich hatte noch nie so viel Verantwortung für jemanden gehabt. Und wir beide waren vollkommen allein. Mir war echt zum Heulen zumute.
    Aber ich hatte versprochen, Maree nach Babylon zu bringen, also riß ich mich irgendwie zusammen und schleppte sie weiter, und wir schafften es

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