Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
Vom Netzwerk:
milchiger Schleier wie schon auf der Treppe. Auch die Leute konnte man deshalb nicht richtig erkennen. Es waren viele, die meisten saßen an den Wänden auf Bänken, die aussahen wie angebaut, und die anderen auf Stühlen an einem riesigen Tisch, der den größten Teil des Raums einnahm. Ich konnte sehen, wie die am hinteren, weit entfernten Ende ich vorbeugten oder zurücklehnten, um uns zu mustern.
    Es war merkwürdig mit diesen Leuten. Man hatte das Gefühl, als stammten sie aus allen möglichen Epochen und von allen möglichen Orten, obwohl sie alle gleich gekleidet waren. Einige von ihnen hatte die Art Gesichter, die man auf sehr alten Gemälden sieht. Und es gab zwei Sorten von ihnen. Ich kann nicht beschreiben, woher ich das weiß. Es hatte nichts damit zu tun, auf welchen Plätzen sie saßen oder wie sie aussahen. Ich wußte einfach nur, daß einige von ihnen früher lebendig gewesen waren und einige nie.
    Der einzige, der nicht saß, war ein kleiner Mann mit Halbglatze und O-Beinen, der auf Rupert zugelaufen kam und über das ganze Gesicht grinste. Er war so wirklich wie alles andere. Rupert bückte sich und umarmte ihn, und dann küßte er ihn auf beide Wangen wie ein europäischer Politiker. Ich dachte, der kleine Mann müßte Franzose sein oder Russe oder so was. Dann fing er an zu reden, und ich erkannte die heisere Stimme. Er war der Geist aus Ruperts Auto. Selbst dann war ich noch nicht nervös, aber mit Maree wurde es immer schlimmer. Es war sehr warm und still hier oben.
    »Ich habe meine Aussage bereits gemacht, Söhnchen«, krächzte der kleine Mann. »Ich bleibe noch, um deine zu verifizieren.«
    »Großartig«, sagte Rupert. Ich hatte den Eindruck, er war auch ein wenig nervös. »Ich befürchtete, dich nie mehr wiederzusehen. Du erinnerst dich an Nick und Maree? Dies ist Stan.«
    Wir schüttelten uns die Hände, alles ganz normal, nur daß Stan sagte: »Erfreut, euch leibhaftig kennenzulernen, wenn ihr versteht, was ich meine.«
    Dann schob Rupert uns mehr oder weniger zum Tisch hin. An unserem Ende saß niemand, und wir hatten Platz, um nebeneinander zu stehen. Trotz der milchigen Schleier konnte ich erkennen, daß der Tisch aus dickem schwarzen Eichenholz gemacht war, und dort, wo wir standen, hatten die Dielenbretter tiefe Mulden, ausgetreten von Leuten vor uns.
    Und dann war ich auf einmal nervös. Es waren die vielen Gesichter, die vielen Blicke. Ich konnte spüren, wie Maree bibberte. Stan klopfte mir beruhigend auf den Arm. Ich schaute von oben auf seinen Kopf hinunter, halb kahl, halb lockiges graues Haar, und der Anblick war so normal und alltäglich, daß ich mich besser fühlte. Aber diese Gesichter. Einige von ihnen waren - na ja, wie Koryfos. Selbst die menschlicheren sahen aus wie Richter ohne ihre Perücke im Fernsehen, mit diesen Mündern, die irgendwie nicht lächeln können wie die Münder anderer Leute. Daß man sie hinter den milchigen Schleiern nicht richtig erkennen konnte, machte es noch schlimmer.
    Rupert sagte: »Magids und Archonten der Oberen Kammer, als Pate stelle ich hiermit Marina Timosa Euranivai Koryfoides zur Examination vor, für die Aufnahme in der Zirkel der Magids.«
    Jetzt begriff ich den Grund für Marees Nervosität. Mir war aufgefallen, daß sie ihre besten Kleider trug, aber ich hatte mir nichts dabei gedacht, weil sie sich ja mit Rupert treffen wollte. Sie wirft sich immer in Schale für ihn. Ich hatte nicht gewußt, daß dies der Tag ihres Examens war.
    Jemand ungefähr eine halbe Tischlänge von uns entfernt, ein Mann mit einer nüchternen, geschäftsmäßigen Stimme, fragte sie, ob sie bereit sei, in den Zirkel der Magids aufgenommen zu werden, und sie schob mit dem Zeigefinger die Brille hoch und antwortete kiebig: »So bereit, wie man nur sein kann.«
    Dann fingen alle an, ihr Fragen zu stellen, ganz wie bei einer mündlichen Prüfung. Was es für Fragen waren, weiß ich nicht. Ich hörte sie ganz deutlich, aber ich glaube, man hat es so eingerichtet, daß sie in meinem Kopf verschwimmen, wenn ich mich zu er inn ern versuche - genau wie ich glaubte, daß es auch mit Babylon passiert wäre. Aber Maree schlug sich gut. Alle stellten Fragen, aber die meisten kamen aus der Mitte der Stuhlreihen zu beiden Seiten des Tisches. Ich nehme an, dort saßen die wichtigen Leute.
    Und ich kann auch über den nächsten Teil der Prüfung nichts erzählen, weil Maree droht, sie bringt mich um, wenn ich es tue. Ich weiß, sie könnte es, aber sie sagt, wie man das

Weitere Kostenlose Bücher