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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Mittlerweile war es mir egal, ob er Freund war oder Feind oder sonst was. Im Licht der Kerze, die ich ins Moos gesteckt hatte, um mit beiden Händen zugreifen zu können, starrten Rob und ich uns an, und ich betete nur, er möge sich beeilen.
    Dann war er bei uns, und ich erkannte den seltsamen Fremden, der im Spiegel immer andere Kleidung getragen hatte. Selbst das war mir egal, Hauptsache, er war stark. Er warf einen Blick auf Rob, steckte seine Kerze neben meine, kniete sich hin und packte Rob unter den Achseln. >Auf mein Kommando<, sagte er zu mir. >Eins, zwei, drei !< Ich hatte kaum noch Kraft, der Fremde mußte die ganze Arbeit allein tun, hievte und beugte sich so weit nach hinten, bis er fast rücklings auf dem Hang lag, während Rob langsam, langsam durch die Moosschicht nach oben kam, dann mit einem Hinterhuf irgendwo
    Halt fand und mithelfen konnte und endlich aus dem Loch heraus war.
    Eine Weile lagen wir neben den Kerzen, völlig geschafft und am Ende. Über Robs Gesicht strömten Tränen, und Maree, die über uns hockte, wiederholte immer wieder: >Vielen Dank! Vielen, vielen Dank.<
    >Wenn ich sagen würde, nicht der Rede wert, wäre das gelogen<, meinte der Fremde, als sein Atem wieder ruhiger ging, >das war ein schweres Stück Arbeit, aber ich bin froh, daß ich rechtzeitig gekommen bin; dies ist kein guter Ort für einen Kentauren.<
    >Könnte kaum schlechter sein<, stimmte Rob ihm zu. Er nahm die Reservekerze, die Zinka uns gegeben hatte, und zündete sie mit Ruperts Reservefeuerzeug an.
    Ich sagte: >Ich habe Sie gesehen. Im Hotel Babylon.< Maree sagte: >Ich auch.< Mir fiel ein, daß sie in den höchsten Tönen von ihm geschwärmt hatte, und ich schaute sie an, um zu sehen, ob sie vielleicht gerade dabei war, in Ohnmacht zu fallen oder so ähnlich. Nein, sie musterte den Mann verwirrt, aber gleichzeitig auf eine Art, als wäre ihr etwas klar geworden. >Wer sind Sie?< fragte sie ihn. >Rupert Venables kennt Sie.<
    >Ich weiß noch nicht so genau, wer ich bin<, antwortete er verlegen. >Aber früher war ich der Nachbar von Rupert Venables. Sind Sie ihm bekannt?<
    >Ich habe ihn vor sechs Wochen das erstemal getroffen und fand ihn schrecklich. Das zweitemal bin ich ihm in dem Hotel begegnet, und es kommt mir vor, als würde ich ihn schon ewig kennen.<
    >Wenn das so ist und Sie treffen ihn vor mir, richten Sie ihm aus, daß ich mich melde.< Er stand auf und schaute bekümmert in seine rechte Handfläche. >Drei Körner sind noch übrig<, meinte er. >Die anderen sind den Weg gegangen, den auch du fast gegangen wärst, Kentaur.< Er ließ die Körner vorsichtig wieder in die Tasche gleiten. >Wir kö nn en Euch ein paar abgeben<, sagte Rob.
    >Drei müßten genügen. < Der Mann streckte Rob die
    Hand hin. >Komm mit. Ich helfe dir nach oben, und diese beiden helfen sich gegenseitig! <
    In zwei Gruppen setzten wir unseren Weg fort. Rob kam viel besser voran mit jemandem, der zu ihm sagte: >Die Hufe dichter zusammen. Nimm dieses Büschel, es ist größer. Jetzt ein Sprung nach oben, immer mit der Ruhe.< Maree aber war wirklich der völligen Erschöpfung nahe, und ich fühlte mich schwach wie ein neugeborenes Kätzchen. Rob und der Fremde gewannen einen immer größeren Vorsprung. Endlich, als ihre Kerzen nur noch ein Blinzeln hoch über uns waren, riefen sie zurück, sie würden oben auf uns warten.
    Das war das letzte, was wir von ihnen sahen oder hörten. Damals waren wir ziemlich beunruhigt, aber Koryfos erklärte mir später bei der Privataudienz in dem Truppentransporter, daß sie wirklich versucht hatten zu warten, aber der Ort da oben ließ es nicht zu. Ob sie stillstanden oder sich bewegten, sie mußten gehen, wohin sie gingen, und wenn sie umkehrten, stellten sie fest, daß sie wieder in eine andere Richtung geführt worden waren. >Und glaub mir<, sagte er, >es war viel schlimmer als der Weg, auf dem wir gekommen sind. Rob kann sich glücklich schätzen, daß er es überlebt hat.<
    Die Erklärung dafür ist, daß da oben, über den Hängenden Gärten, wirklich Babylon war. Wir wußten es sofort, Maree und ich, im selben Moment, als wir oben abkamen. Doch ich glaube nicht, daß ich es beschreiben kann, unter anderem, weil es so viele Dinge gleichzeitig war. In meiner Erinnerung ist es gespeichert als der dunkle, flache Gipfel des Berges oder als ein unvorstellbar hoher Turm - und wir waren gleichzeitig drinnen und draußen - oder als ein unvorstellbar helles Licht, in dem ich stand. Doch wenn ich an das Licht

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