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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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verloren hatte. Maree sang vor sich hin: >Das ist ja so peinlich, das ist ja so peinlich!<, aber ich fand, barfuß zu sein war schlimmer. Die Steine auf dem Pfad waren schärfer und spitzer als die Dornen, und abgestorbene Dornenzweige lagen auch noch dazwischen. Es war so schrecklich, daß ich am liebsten kehrtgemacht hätte, aber ich erinnerte mich an die Brücke.
    Nach einer Ewigkeit führte der Pfad durch eine Art Lichtung in den Büschen, wo der Wind noch heftiger tobte, und da, nur ein kleines Stück vor uns, war etwas Helles, das sich bewegte, huschte und flatterte. Wir sahen es alle gleichzeitig. Ich schrie auf. Maree blieb stehen. Rob fragte zähneklappernd: >Was ist das?< Es sah gespenstisch aus.
    >Sieht aus, als wäre die große Wäsche gekommen, um uns zu ermorden!< sagte Maree. >Oh!< Und dann lief sie auf die Gespenster zu und rief: >Wunder über Wunder!<
    >Was ist es denn nun?< Rob zitterte am ganzen Leib.
    >Nachtmahre, böse Geister, Hexenspuk! < rief Maree zurück. >Kommt schon, ihr Feiglinge, es sind Kleider!<
    Wir folgten ihr, und - na ja, ich weiß, wir waren nicht in der normalen Welt, aber trotzdem konnte ich es fast nicht glauben - die Kleider, die an den Büschen hingen, waren Marees alter Rock und Pullover und meine Jeans und das Sweatshirt, die ich ihr für die Kleiderkammer mitgegeben hatte. Das gibt einem zu denken. Auf dem
    Boden standen eine ganze Menge alte Schuhe. Keiner von uns hatte Zeit oder Lust, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie hergekommen waren. Wir steckten die Kerzen in den Boden und wurstelten uns einhändig in die Sachen hinein. Ich suchte mir die größten Turnschuhe heraus und versuchte mit einem scharfen Stein in die Spitzen ein Loch zu schneiden. Das war ein solches Gewürge, daß ich beschloß, mir sämtliche Reime und Zaubersprüche schnuppe sein zu lassen. Ich stopfte die Körner in die Hosentasche, damit ich beide Hände für die Schuhe frei hatte. Da erst fiel mir auf, daß mit meinen Kleidern auch das Wasserfläschchen verschwunden war. Ich schaute mich um, weil ich es Rob sagen wollte, und sah ihn frierend dastehen, die Arme um den Oberkörper geschlungen und keine Kleider für ihn in den Büschen. >Hast du nie alte Kleider weitervererbt?< fragte Maree. >Nein.< Er fröstelte. >Knarros hat uns jedes Stück tragen lassen, bis es auseinanderfiel.<
    >Hast du wenigstens deine Gürteltasche noch?< erkundigte ich mich. >Oder vielmehr Wills Gürteltasche.<
    Ich wollte hinzufügen, wenn nicht, dann hätten wir all unser Wasser verloren, doch er schaute mich an, als hätte ich soeben den Geistesblitz des Jahrhunderts gehabt. >Aber natürlich! Danke! < Er machte die Tasche auf, ließ seine Handvoll Getreide hineinrieseln und nahm den Bausch Ziegenwolle heraus. Dann gab er mir seine wild flackernde Kerze zum Halten und nahm sich einen Teil von der Wolle, den er anschließend sorgsam immer mehr auseinanderzupfte. Das Stück wuchs und wuchs, und bald war es so groß, daß der Wind es packte und hin- und herwehte, aber Rob klemmte die Ecken fest und zupfte weiter.
    >Aha, eine Pferdedecke!< sagte Maree.
    Zum Schluß war es sogar größer als eine Pferdedecke, ein leichtes, flauschiges Gespinst wie Mohair. Rob knotete sich die Zipfel um den Hals, und Marees Anweisungen folgend, zog ich es über seinen Rücken bis zum Schweif. Dort blieb es haften. Ich war begeistert
    von der Idee, nahm die Hälfte von dem Rest der Wolle und zupfte daraus eine Art Schal. Maree behauptete, ihr wäre nicht kalt, doch als ich ihre Haut anfühlte, war sie eisig. Deshalb machte ich für sie ebenfalls einen Schal. Jeder wickelte sich seinen um, dann gingen wir weiter. Ich fühlte mich erheblich besser, aber Rob und Maree bewegten sich, als würden ihnen die Beine immer schwerer.
    Der Dornenpfad na hm kein Ende. Ich glaube, es ging die ganze Zeit bergauf, aber das ist schwer zu beurteilen, wenn man nichts weiter sehen kann als den kleinen Lichtkreis, in dem man sich bewegt. Doch als wir die Dornen endlich hinter uns hatten, wurde der Weg richtig steil und führte über nackten Fels, verwittert zu spitzen Zacken, Graten und Kanten, wie ein Hügel aus Messern. Zu meiner Überraschung hatte Rob keine Mühe, hinaufzusteigen. Er meinte, es gäbe reichlich Halt. Maree war diejenige, die sich quälen mußte. Schließlich blieb Rob stehen und sagte, auf diese Weise kämen wir nie bis nach oben, und Maree sollte lieber auf seinen Rücken steigen.
    >Aber das wird weh tun!< sagten wir beide.
    Rob wußte,

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