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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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denke, kommt es mir vor, als wäre es farbig gewesen, und Farben wie diese gibt es nirgendwo sonst und auch keinen Namen dafür. Sie schlugen Wellen wie Nordlichter oder sahen aus wie Signalzeichen, dann wieder denke ich:
    Nein, es waren keine Wellen, es waren Säulen. Und die Richtungen waren auch nicht wie normal. Ich meine, wenn ich mir Babylon als den Turm vorstelle, weiß ich, er spiegelt sich durch zehn oder zwanzig rechte Winkel nach oben und unten und um die Längsachse, genau wie das Hotel, nur in diesem Turm konnte ich die verschiedenen Richtungen sehen, und das war ziemlich verwirrend. Und es gab noch andere Wunder.
    Maree erinnert sich nicht einmal an das. Alles, was sie noch weiß, ist das Ende, als wir beide glaubten, wir wären zu einer Art von Steintrog gekommen - nur war er so seltsam wie alles andere, weil er auch in den vielen anderen Richtungen existierte und deshalb eine merkwürdige Form hatte für einen Trog. Eine Weile standen wir da und überlegten. Ich sagte: >Wir können nicht einfach so unseren Wunsch aussprechen. Man muß uns dazu auffordern!<
    Maree sagte: >Gib mir das Wasser.< Ich hatte nur das eine Fläschchen, aber ich gab es ihr, und sie goß ungefähr die Hälfte des Inhalts vorsichtig in den Trog - man mußte vorsichtig sein, weil auch das Wasser in sämtliche Richtungen floß und nicht unbedingt dahin, wo man es haben wollte. Sie gab mir das Fläschchen zurück und befahl: Jetzt du. Dann streu das Korn aus.<
    Mit dem Getreide war es noch schwieriger. Es wanderte überallhin und um alle Ecken, und nur ein paar Körner gelangten in den Trog. Doch sobald die Körner in das Wasser gefallen waren, begann es zu schäumen und zu steigen, bis es wie ein Fluß gegen die Rändern des Trogs schwappte.
    Dann glaube ich, daß eine Stimme zu uns sprach, aber sicher bin ich nicht, denn falls es eine Stimme war, klang sie mehr wie Gesang oder Glockenläuten. Aber mir kam es so vor, als gäbe sie uns zu verstehen, Maree dürfe als erste ihren Wunsch äußern, vorausgesetzt, sie wäre in großer Not.
    Ich gab Maree einen Schubs. Sie zuckte zusammen. Ich flüsterte ihr zu, was sie sagen sollte. Sie nickte lebhaft, und ich dachte, sie hätte verstanden. Sie schob die Brille hoch und sagte: >Ich wünsche mir, daß mein kleiner dicker Paps von seinem Krebs geheilt wird.<
    Ich konnte es nicht fassen! Die totale Verschwendung! Jetzt mußte ich Maree ihre andere Hälfte zurückwünschen, statt etwas für mich, und ich hätte schreien können. Es gab sonst keine Möglichkeit, sie zurückzubekommen, wenn ich es nicht wünschte, und dann waren die Mühe und Arbeit, die alle sich gemacht hatten, umsonst gewesen, nur weil ich auf meinem Wunsch beharrte. Ich glaube, ich habe geweint über die Verschwendung, aber es wäre einfach sinnlos gewesen, diesen weiten Weg gekommen zu sein und dann den entscheidenden Wunsch nicht auszusprechen. Also wünschte ich für sie.
    Eine Art Glockenschlag ertönte. Maree hatte plötzlich wieder ihre richtige, gesunde Farbe, und sie sah handfester aus, nicht mehr so vergeistigt. Sie schien auch wieder ganz bei klarem Verstand zu sein, und ihr Gesicht hatte wieder die richtige Form. Und ich nehme an, ich war froh. Ach, was soll’s - ich war froh.
    Dann ertönte die Glocke noch einmal, und das bedeutete, wir waren entlassen. Mir schien es darüber hinaus ein Hinweis zu sein, eine Warnung, denn ich mußte an die Geschichten denken, Orpheus und so weiter, und ich schaute Maree nicht mehr an. Ich drehte mich einfach um und machte mich auf den Rückweg.
    Ich habe keine Ahnung, wie es gekommen ist, daß ich sie so weit hinter mir gelassen habe. Maree kann es auch nicht erklären. Sie glaubt, sie hätte fast den ganzen Weg meine Kerze vor sich gehabt, und ich hörte ihr e Schritte. Ich hörte und fühlte sie hinter mir den Mooshang hinunterklettern. Ich hörte wieder ihre Schritte, während ich auf Händen und Knien über das Felsband mit dem Abgrund auf beiden Seiten kroch. Ich begreife es einfach nicht.
    Der Rückweg war eine Qual. Man wußte genau, was einem bevorstand. Nur die Kinder und die Vögel waren nicht da, als ich den Messerhang hinunterstieg, aber alles andere wartete auf mich. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war noch etwas anders: Als ich zu den Dornenhecken kam, rechnete ich damit, daß meine Kleider wieder verschwinden würden, aber das taten sie nicht, nur der Schal aus Ziegenwolle. Und als ich zu der Brücke kam, war nichts am anderen Ende, kein Tor und keine

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