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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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daß es weh tun würde. Er antwortete so gereizt, wie man es tut, wenn man weiß, daß einem etwas Unangenehmes bevorsteht, und man will es hinter sich bringen: >Hilf ihr aufzusteigen und keine Diskussion! <
    Er hielt alle drei Kerzen, während ich Maree auf seinen Rücken stemmte. Ein Glück, daß sie nur noch die Hälfte wog, sonst hätte ich es nie geschafft. Und Rob hatte tatsächlich Schmerzen auszustehen. Er stampfte mit den Hufen und zuckte und wurde immer gereizter. Maree legte sich flach auf seinen Rücken, weil es für ihn so am wenigsten unangenehm zu sein schien. Während ich beide Hände frei hatte, zog ich das letzte Wasserfläschchen aus Robs Gürteltasche und nahm es an mich. Später war ich froh, daß ich es getan hatte.
    Dann setzten wir unsere Marsch fort, bis Rob plötzlich einen Schrei ausstieß und abrupt stehenblieb. Im ersten Moment dachte ich, seine Wunde wäre aufgebrochen, aber er hatte etwas gesehen, das ihn erschreckte. Auf seiner von mir abgewandten Seite standen drei Kinder am Rand des Lichtkreises. Außer ihren spitzen weißen Gesichtern konnte ich nicht viel von ihnen sehen. Sie standen einfach da und schauten, zwei Jungen, einer vielleicht so alt wie ich, der andere jünger, und ein kleines Mädchen. Sie taten nichts, aber Rob geriet in eine heftige Erregung.
    >O bitte, bitte nicht! < sagte er. >Wir haben uns doch immer gut vertragen! <
    Wir alle schauten auf die Kinder, als die Vögel sich aus dem Dunkel auf uns stürzten. Man stellt sich nicht vor, wie furchteinflößend das ist - große Vögel, die einem aus dem Nichts kommend um den Kopf fliegen und flattern. Es waren schwarze Vögel und weiße. Erst stießen sie auf uns nieder. Wir schrien und schlugen nach ihnen, deshalb ließen sie uns in Frieden und pickten nach den drei Kindern. Die drei schienen nicht zu wissen, was sie dagegen tun sollten.
    Maree rief: >Schnell, schnell! Die Körner, die Körner! < Und sie beugte sich von Rob hinunter und streute etwas von ihr er Handvoll Getreide vor die Füße der Kinder.
    Die Vögel machten sich sofort darüber her und stritten um jedes Korn, als stünden sie tatsächlich kurz vor dem Verhungern.
    Ich wühlte in der Hosentasche nach meiner Ration, als Rob die Plastiktüte mit der Reserve aus der Tasche n ahm und vor sich auf den Boden ausleerte. Die Vögel stürzten sich auch darauf. Die schwarzen - im Licht der Kerzen sah man, daß sie eigentlich braungefleckt waren - warfen die Körner beiseite und pickten das Salz, aber die weißen verschlangen die Körner.
    >Lauft weg, jetzt, während sie beschäftigt sind!< forderte Maree die Kinder auf. Alle drei schauten sie verständnislos an, aber nach kurzem Zögern wichen sie in die Dunkelheit zurück. Sie schienen überhaupt nicht zu begreifen, was los war.
    Wir gingen weiter, bevor die Vögel sich an uns erinnerten. Maree sagte: Eigentlich müßten wir bleiben und den armen Kindern helfen!<
    Rob schüttelte den Kopf. >Wir können nichts für sie tun.< Es klang so jämmerlich, daß Maree schwieg.
    Danach folgte eine mühsame Kletterpartie, die Jahre zu dauern schien. Der Wind hatte etwas nachgelassen, aber er wehte immer noch in kalten, plötzlichen Böen. Keiner von uns geriet ms Schwitzen. Endlich gelangten wir auf eine Art Plateau, und einen herrlichen Moment lang dachten wir, wir hätten es geschafft. Ringsum erhoben sich Ruinen von Gebäuden, oder wenigstens sah es so aus. Dann hielt Rob seine Kerze an die uns am nächsten befindliche Ruine, und wir sahen im Lichtschein, daß es eine Art Pfeiler aus tiefschwarzem Gestein war. Der Weg führte in die Tiefe, bis er nur noch so breit war wie ein Kaninchenpfad, und schlängelte sich hierhin und dorthin zwischen Hunderten dieser Pfeiler hindurch. Einige davon waren klein - kniehoch -, und andere ragten auf wie Kirchtürme, und jeder hatte eine andere skurrile Form. Immer wieder sah es so aus, als ginge es nicht mehr weiter, und wir dachten, wir wären endlich am Ziel, doch jedesmal schimmerte im Licht einer unserer Kerzen ein weiteres Stück Weg hell zwischen den schwarzen Felszacken.
    Rob hatte Mühe, sich hindurchzuzwängen. Maree stieg ab, damit es leichter für ihn war. Sie behauptete, sie hätte sich ausgeruht, aber ich fand, sie sah ziemlich elend aus. Trotzdem marschierte sie vorweg und hielt die Kerze hoch erhoben, der Schein der vom Wind hin- und hergerissenen Flamme zeigte uns zu beiden Seiten immer neue Pfeiler. Der Wind verursachte sonderbare Geräusche zwischen den Felsen.

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