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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Graben und Jäten und Rasenmähen denke, zu dem er sich bequemen muß. Das dritte Haus beherbergt die Familie Gibbs: Mrs. Gibbs ist meine Zugehfrau, ihre Tochter putzt bei Andrew. Mrs. Gibbs erzählt mir, ihre Tochter sagt, Andrew Connick sei ein sehr seltsamer Mensch. Und ich glaube ihr, obwohl ich überzeugt bin, Miss Gibbs erzählt Andrew, daß ihre Mutter sagt, Rupert Venables sei ebenfalls ziemlich merkwürdig.
    Er stand also vor meiner Tür und sah aus, als wüßte er nicht genau, weshalb er eigentlich gekommen war. »Hallo, Andrew«, begrüßte ich ihn. »Komm rein.« Ich nahm an, Stan würde so schlau sein und den Mund halten, obwohl Chorgesang mich umtoste.
    »Nein, danke, ich kann nicht bleiben«, antwortete er in seiner bedächtigen, nordischen Art. Wenn ich ernsthaft raten müßte, würde ich sagen, er ist Schotte, aber mit dieser lichten Mittsommernachtsblässe, dem länglichen, markanten Schädel und großrahmigen Körperbau, besitzt er für mich all jene Attribute, die ich mit Skandinaviern in Verbindung bringe. Ich bin etwas kleiner als einen Meter achtzig, und er ragte über mir auf, ein befangener Riese. »Nein, danke, ich kann nicht bleiben«, wiederholte er. »Ich bin nur gekommen, um dich zu fragen, ob du mich morgen wohin fahren kannst.«
    »Ist dein Auto wieder in der Werkstatt?« Ich spürte, wie meine Kopfschmerzen wiederzukehren drohten. Die beiden letzten Male, als Andrews Wagen ihm den Dienst aufgekündigt hatte, hatte ich ihn und wechselnde Ersatzteile zwischen hier und Cambridge hin- und herkutschiert, und nach Ely und Huntingdon und St. Neots, ganz zu schweigen von Peterborough und King’s Lynn. Sechshundert Meilen waren dabei zusammengekommen.
    »Aye.« Er nickte. »Rührt sich nicht vom Fleck.«
    Mein Innerstes rebellierte dagegen, erneut als Chauffeur verpflichtet zu werden. Ich hatte einen Ruhetag verdient. »Tut mir leid«, sagte ich. »Morgen bin ich nicht hier. Ich will nach Bristol.«
    Er schwieg, seine großen hellen Augen schauten über meinen Kopf hinweg in eine unbestimmte Ferne. Nach einer Weile sagte er, wie aus langem Sinnen erwacht: »Dann ko mm e ich mit nach Bristol.«
    Wenn ich gesagt hätte, Carlisle, Edinborough oder Canterbury, wäre er auch mitgefahren, egal wohin. »Eine ziemlich lange Fahrt«, machte ich einen letzten Versuch, das Unvermeidliche abzuwenden. »Ich will früh los.«
    Auch das wurde gründlich erwogen. »Ich kann um sechs Uhr fertig sein.«
    »Heiliger Strohsack, so früh nun auch wieder nicht.« Ich gab mich geschlagen. »Einigen wir uns auf halb neun, okay?«
    »Ich werde da sein«, sagte er und ging.
    Also mußte ich wohl oder übel nach Bristol fahren. »Kommst du mit?« fragte ich Stan. »Oder hast du Angst, Andrew zu erschrecken?«
    Es folgte eine von Stans melancholischen Pausen, dann meinte er: »Ich glaube nicht, daß ich es kann, Söhnchen. Wie es scheint, ist mein Aktionsradius auf dieses Haus beschränkt.«
    »Bist du sicher? Hast du’s ausprobiert?«
    »Ich komme nur bis zum Gartentor. Und bis zum Schuppen hinter dem Haus, kein Stück weiter.«
    Statt daß er mir leid tat, wurde ich ärgerlich; die letzten paar Tage hatten an meiner Geduld gezehrt. »Was nützt es, einen unsichtbaren Berater zu haben, wenn du mich nicht begleiten kannst?« beschwerte ich mich. »Ich hätte Wert darauf gelegt, deine Meinung über dieses Mädchen zu hören.«
    »Vielleicht solltest du endlich lernen, auf eigenen Füßen zu stehen«, antwortete seine St imm e. »Mir scheint, das ist, was die Da Oben von dir erwarten.«
    Ich wußte, ich hatte seine Gefühle verletzt. Er sprach an diesem Abend kein Wort mehr mit mir und auch nicht am nächsten Morgen, nicht einmal, als ich ihm einen schwebenden Stapel CDs herrichtete, von denen jede einzelne mit dem geis belegt war, auf Befehl in den CD Player hinein- oder herauszufliegen. Ich war stolz auf meine Leistung und fand außerdem, ich hätte eine gute Tat vollbracht, die offensichtlich NICHT GEWÜRDIGT WURDE! Also war ich meinerseits beleidigt. Ich ging in frostigem Schweigen hinaus zu meinem Wagen, wo Andrew bereits wartete.
    Andrew ist im Grunde genommen ein guter Beifahrer. Er fühlt sich nicht bemüßigt, Konversation zu machen, schimpft nicht über andere Verkehrsteilnehmer und läßt sich nicht zu nervösen Kommentaren über meine - rasante - Fahrweise hinreißen. Er sitzt einfach da. Andererseits wirkt genau das auf die Dauer irritierend. Als wir ungefähr zwei Drittel der M 25 hinter uns hatten, fühlte

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