Eine Frage der Balance
vergleichen.
Ein Stück die Straße hinauf wurde ich fündig - ihr Fluidum vermischt mit stinkendem, blauem Qualm von einem Auto, das dringend einen Ölwechsel nötig hatte. Ich erinnere mich, daß ich anfangs - irregeleitet - dieses Fluidum durchaus sympathisch fand. Es vermittelte einen Eindruck von Tapferkeit, Kampfeslust und sogar Humor - als ob Mallory sich von ihrem Pech in letzter Zeit nicht unterkriegen ließe und guten Mut bewahrte. Und Janine hatte nicht übertrieben: Das Mädchen war an einem Ende aus der Straße hinausgefahren, als ich am anderen Ende einbog. Ich war - heilige Einfalt! - hoch erfreut, kehrte eilends zu meinem Wagen zurück und nahm die Verfolgung auf.
Eine halbe Stunde folgte ich den Spuren: durch breite und schmale Straßen, unter anderen Straßen hindurch, über Brücken, bergab und dann so steil bergauf, daß mir einmal der Motor ausging, und entlang gewundener Nebenstraßen in grünen Parks. Ich sah Reihenhäuser im Regency-Stil, rosafarbene, neogotische Hochhäuser, moderne Büroblocks, kopfsteingepflasterte Wohnstraßen, Bruneis Eisenschiff und die M32. Dem neben mir auf dem Beifahrersitz ausgebreiteten Stadtplan entnahm ich mit wachsender Verzweiflung, daß ich mittlerweile jeden Teil der Stadt nördlich des Hafens besichtigt hatte und das, ohne auch nur in Rufweite des Wagens, den ich verfolgte, gekommen zu sein. Immer noch kannte ich weder Typ noch Marke, geschweige denn, daß ich gewußt hätte, was im Kopf dieses Mädchens vor sich ging - doch aus dem beißenden Ölgestank, der in den schmaleren Straßen hing, glaubte ich, folgern zu können, daß es sich um ein ziemlich altes Vehikel handelte.
Unbewiesene Schlußfolgerungen sind eine riskante Sache, man sollte sich an das Fluidum halten. Die Straße führte steil zum Flußufer hinunter, und vor mir entdeckte ich einen kleinen, vergammelten Morris, am Steuer eine Frau und ein Kindersitz im Fond. Aha! Ich hängte mich an und sandte der Fahrerin telepathische Botschaften, sie solle halten, wir müßten miteinander sprechen.
Keine Reaktion. Ich verfolgte den Morris über zwei Flußschleifen hinweg bis in den Mahlstrom eines Kreisverkehrs. Immer war er drei Wagen vor mir, und die Fahrerin weigerte sich stur, auf meine telepathischen Bitten zu reagieren. Meine Frustration wuchs mit jedem Meter. Ich hätte aufgegeben, nur daß sie mir schon zum Greifen nahe war!
Dann bog der braune Morris plötzlich in eine Seitenstraße ein, und ich erkannte, ich hatte mich von meinem eigenen Wunschdenken verführen lassen. Von Mallorys Aura war weit und breit nichts mehr zu spüren, ich mußte sie in dem Moment verloren haben, als ich sie in dem Morris vermutete.
Es war zum Mäusemelken. Ich beschloß, aufzugeben und nach Hause zu fahren. Dann aber dachte ich an Stans mokante Kommentare, die ich würde über mich ergehen lassen müssen. Nein, das Naheliegende war, zum Haus der Tante zurückzufahren und dort darauf zu warten, daß Mallory auftauchte. Gesagt, getan, doch natürlich hatte ich schon nach der nächsten Abzweigung wieder die Orientierung verloren.
Ich kämpfte mich durch den einsetzenden Feierabendverkehr, hielt Ausschau nach einer Brücke, aber keine Brücke war zu sehen. Statt dessen fand ich mich zu meiner Verwunderung plötzlich auf einer fast ländlichen Straße wieder, die steil bergauf führte. Der Verkehr war schrecklich.
Es ging nur im Schneckentempo vorwärts, so daß ich reichlich Zeit hatte, das schluchtähnliche Flußtal des Avon zu betrachten, an dessen Rand ich entlangfuhr, und die Skyline von Bristol auf der anderen Seite.
Jetzt reicht’s, dachte ich. Ich fahre nach Hause. Und fand mich d ami t ab, möglicherweise einen Umweg über Wales machen zu müssen.
Doch in diesem Moment kam der Verkehr vorn wieder in Fluß, das Stadtpanorama verschwand hinter Bäumen, und ein Schild neben der Straße sagte mir, ich könne nach rechts abbiegen und über die Mautbrücke nach Bristol hineinfahren. Dankbar folgte ich dem Hinweis. Die Mautbrücke entpuppte sich als schwindelerregende Hängekonstruktion, die sich zwischen pseudoägyptischen Pylonen hüben und drüben über das Flußtal schwang. Ich steckte Münzen in einen Schlitz und fuhr mit einem flauen Gefühl in der Magengrube weiter. Ein paar hundert Fuß tief unter mir glitzerte der Fluß - ein trübes Rinnsal - im Sonnenschein.
Irgendein Idiot hatte dicht hinter der Brücke sein Auto mitten auf der Straße abgestellt. Um ein Haar hätte ich es gerammt.
Ich
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