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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Persönlichkeitsaura das Bild eines tapferen kleinen Mädchens gemacht, von Schicksalsschlägen gebeutelt. Eltern geschieden, vom Herzallerliebsten verstoßen, sie hatte kein Geld und mußte bei einer gehässigen Tante wohnen, und zu allem Überfluß siechte ihr Vater (Adoptivvater, vermutete ich) an Krebs dahin. Ich war gewillt gewesen, das arme Kind nach allen Regeln der Kunst zu bedauern, doch all meine noblen Gefühle verpufften, als ich diese groteske, sackförmige Gestalt am Straßenrand herumhampeln sah. Und nach der Art, wie sie mich erst ignoriert und dann gemustert hatte, wäre ich am liebsten zu diesem ihrem Ex-Freund gegangen, um ihm die Hand zu schütteln und ihn zu beglückwünschen: ihm sei viel erspart geblieben. Er war sie los, ich war sie los - mit 100 £ war das nicht zu teuer bezahlt.
    »Jetzt bereit, mit mir zu sprechen?« fragte Stan.
    »Ja.«
    »Was du tun solltest«, sagte er, »ist, all deine Kandidaten an einem Ort zu versa mm eln und sie auf ihre Eignung zu testen. Habe ich recht?«
    Ich hatte brütend dagesessen, das Kinn auf der Brust, jetzt richtete ich mich auf. »Aber wie?«
    »Die extreme Methode«, man hörte den belehrend erhobenen Zeigefinger aus seiner körperlosen Stimme heraus. »Manipulation der Schicksalsbahnen. Bring sie zu dir.«
    »Ist das erlaubt?« Ich hatte angenommen, von dieser Methode dürfte man nur in Notfällen Gebrauch machen. Jede Maßnahme, die jemandes persönliches Leben berührte, ohne dessen Erlaubnis, durfte nur bei Vorliegen besonderer Umstände als letztmögliches Mittel in Erwägung gezogen werden.
    »Allerdings, im Zusammenhang mit der Wahl eines neuen Magids ist es erlaubt. Das ist der springende Punkt. Im Grunde genommen tut man es ohnehin, zwangsläufig, wenn man jemanden anwirbt.«
    »Also gut, aber nicht heute nacht«, sagte ich.
    Was Stan vorschlug, war eine zie mli ch mühselige Prozedur. Meiner Meinung nach ist es gut, daß die Methode so viel Arbeit erfordert, oder Magids - und andere Menschen - könnten sich versucht fühlen, aus trivialen Gründen zu diesem Mittel zu greifen. Leichtfertiger Mißbrauch könnte mehr als eine Welt ins Chaos stürzen - oder auch den Magid ins Verderben, wenn er nicht größte Sorgfalt walten läßt und die nötigen Vorsichtsmaßnahmen trifft. Wenn man nicht aufpaßt, kann es passieren, daß man unversehens die eigenen Schicksalsbahnen mit denen der Leute, die man beeinflussen will, verwoben findet. Ein Magid soll unabhängig sein. Zu der Initiation als Magid gehört unter anderem, daß die persönlichen Lebenslinien von denen des restlichen Universums isoliert werden. Ein ziemlich einsames Dasein, um die Wahrheit zu sagen.
    Wie auch immer, ich wußte, es würde Tage dauern, und ich wollte nicht gestört werden. Am nächsten Tag erledigte ich all meine normalen Verpflichtungen (leicht verspätet - Mallorys Schuld) und trennte anschließend meine Telefone von den Leitungen dieser Welt und aller anderen. Ich schaltete alle Computer ab, inklusive des für Magid-Belange reservierten, und hängte das Äquivalent eines >Bitte nicht stören<-Schildes an letzteren.
    Wenig erfreut stellte ich fest, daß während der Nacht mehrere Faxe von General Dakros eingegangen waren. Das erste verkündete triumphierend, seine Experten hätten die genetischen Codes in den zwei Listen entschlüsselt; somit wäre man in der Lage, die Erben, sobald sie gefunden waren, zweifelsfrei zu identifizieren. Das zweite sagte: noch imm er kein Hinweis auf Knarros, das dritte, daß Jeffros glaubte, Knarros wäre durch Magie vor Entdeckung geschützt. Das vierte schließlich forderte mich kurz und bündig auf, zu kommen und Knarros für sie aufzuspüren.
    Ich antwortete - ebenfalls kurz und bündig -, ich sähe nicht ein, weshalb sie mit der Geheimniskrämerei ihres Imperators seligen Angedenkens weitermachen wollten und riet ihnen, mit Hilfe der Medien nach Knarros zu suchen. Dann zog ich den Stecker heraus.
    »Siehst du?« sagte ich zu Stan. »Kein bißchen sentimental.«
    Dann suchte ich mir einen Globus, Stecknadeln und Baumwollfäden und machte mich ans Werk. Die erste Aufgabe bestand darin, in diesem Land einen Punkt zu finden, der für eine Zusammenführung meiner vier Kandidaten geeignet war. Weil es sich hier um Arbeit mit Schicksalsbahnen handelte, mußte der Ort ein Nodus der Macht sein (auf den Britischen Inseln existieren solche Nodi in erstaunlich großer Zahl), und die Entfernungen zwischen diesem Ort und jedem der vier Kandidaten

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